In einem Exklusivinterview für das flämische Fernsehen, der öffentlich-rechtlichen VRT, erzählt Henrieta Chovancova, wie es war, als sie das letzte Mal mit ihrem Mann gesprochen hat: "Es war etwa 5:30 Uhr, er war am Flughafen von Charleroi, kurz vor seinem Abflug nach Bratislava. Er rief an, um zu wissen, ob wir bereits in Bratislava sind, wo wir ihn am Flughafen treffen sollten."
Das war das letzte Mal, dass sie seine Stimme gehört hat, erzählt Henrieta Chovancova. Auf die Frage des VRT-Journalisten, ob alles normal war, antwortet sie: "Ja".
Doch zu dem Wiedersehen am Flughafen in Bratislava, der Hauptstadt der Slowakei, der Heimat der Chovanecs, kam es nie. Freunde erzählten ihr, dass die Polizei ihren Mann auf dem Flughafen von Charleroi festgenommen hat. Drei Tage später wurde er für tot erklärt.
Vertuschungsaktion
Diese Version glaubt Henrieta Chovancova nicht. Sie ist überzeugt, ihr Mann starb schon in der Zelle. Sie glaubt auch nicht, dass er an einem Herzinfarkt starb. Sie ist überzeugt, er wurde von der Polizei erstickt. Die Geschichte mit dem Herzinfarkt sei erfunden, damit die Wahrheit nicht ans Licht komme.
Harte Worte der Witwe. Sie spricht unumwunden von einer Vertuschungsaktion. Die Untersuchungsrichterin sei gar nicht daran interessiert gewesen, den Fall aufzuklären. Der Grund: Sie wolle jemanden decken. Anders sei es doch nicht zu erklären, dass die Untersuchungsrichterin zweieinhalb Jahre nichts getan habe, so Chovancova. Und, sie hätte von den brisanten Videoaufzeichnungen gewusst.
Zweiter Polizeibericht
Ein starker Vorwurf, der aber möglich wäre. Denn am Mittwoch berichtete die flämische Tageszeitung Het Laatste Nieuws von einem zweiten Polizeibericht. Der wurde knapp eine Stunde nach dem ersten Polizeibericht verfasst, war auch viel detaillierter, auch mit einen Hinweis auf die Videobilder aus der Zelle.
Nach mehr als zwei Jahren Stillstand in der Untersuchung ratlos, entschied sich Henrieta Chovancova dafür, die aus der Akte bekannten Bilder, freizugeben. So schmerzhaft, das auch für sie gewesen sei, sie hatte keine andere Wahl.
"Das war sehr schwierig, diese Bilder zu sehen. Niemand will doch, dass solche Bilder um die ganze Welt gehen, in jedem Fernsehsender zu sehen sind", sagt Henrieta Chovancova. Vor allem da auch ihre Tochter die Bilder sehen wird. Aber wenn man keine andere Wahl mehr habe, dann könne man nicht mehr als das tun.
Glauben in Justiz verloren
Sie hat jedenfalls den Glauben in die belgische Justiz verloren, auch in den damaligen Innenminister Jambon. "Wie kann man so einer Person noch trauen? Einmal sagt er dies, das andere Mal das. Das zeigt doch, dass jemand nicht die Wahrheit sagt."
Doch ihren Kampf für die Wahrheit gibt Henrieta Chovancova nicht auf, auch wenn nichts ihren Mann wieder zurückbringen werde. Vor allem aber will sie weitere Opfer vermeiden: "Vielleicht wird dadurch jemand anders vor solchen Bestien geschützt. Vielleicht wird jemand anderem damit geholfen."
Volker Krings
Es gibt viele Menschen, die das Vertrauen in den belgischen Staat verloren haben, nicht nur Frau Chovancova.