"Sanda war für viele Menschen ein ganz besonderer Mensch", sagt Lucas, einer seiner Freunde, die anderthalb Jahre nach dem Tod des 20-Jährigen immer noch um ihn trauern. Mehr denn je sogar. Ein Artikel in der Zeitung Het Nieuwsblad hat die Wunden wieder aufgerissen. Das Blatt hat die letzten 30 Stunden im Leben des Studenten rekonstruiert. Und dieser Artikel liest sich wie das Protokoll eines Folterrituals.
Besagte 30 Stunden spielen sich ab vom 4. bis zum 5. Dezember 2018. Sanda Dia soll, zusammen mit zwei anderen Anwärtern, "getauft" werden. Sie wollen der Studentenverbindung "Reuzegom" beitreten. In diesem exklusiven Club treffen sich Studenten aus Antwerpen, die an der Katholischen Universität Löwen studieren.
Durch die Hölle gegangen
Reuzegom blickt auf eine lange Geschichte zurück. Die Verbindung gilt als elitärer Zirkel. Die Mitglieder kommen oft aus "guten Hause". Sanda Dia passt nicht wirklich dahin; allein schon nicht wegen seiner Hautfarbe, in diesem durch und durch weißen Clübchen, in dem anscheinend auch schon mal rassistische Töne angeschlagen werden. Doch er will Karriere machen und da können gute Verbindungen, ein gutes Netzwerk, sicher helfen.
Das Aufnahmeritual hat es aber in sich. Diese "Taufe" verbindet die Mitglieder. In jenen fatalen 30 Stunden ist das Ritual allerdings gründlich aus dem Ruder gelaufen. Kurz und knapp: Die drei Anwärter sind durch die Hölle gegangen.
Also, ihm sei beim Lesen des Artikels in Het Nieuwsblad regelrecht schlecht geworden, sagte Lucas in der VRT. Und er dürfe immer noch nicht drüber nachdenken.
Barbarisches Ritual
Das Ritual, das Het Nieuwsblad rekonstruieren konnte, kann man eigentlich nur als barbarisch bezeichnen. Dass die Anwärter unglaubliche Mengen Alkohol trinken müssen, das ist da noch der harmloseste Aspekt. Wirklich schlimm wurde es am zweiten Abend. Stundenlang müssen die Anwärter im tiefsten Winter in einem Erdloch ausharren, das mit eiskaltem Wasser gefüllt ist. Dabei müssen sie allerlei unappetitliche Dinge zu sich nehmen, bis hin zu lebenden Tieren, wie einem Goldfisch und sogar einem Aal. Im Anschluss muss Sanda große Mengen Fischöl trinken. Zu dem Zeitpunkt ist Sanda schon so weggetreten, dass er alles nur noch über sich ergehen lässt.
Die lange Zeit im Eiswasser und das Fischöl, das für einen extrem hohen Salzgehalt im Blut sorgen, und der ganze Rest: Das fordert seinen Tribut. Am Abend verliert Sanda mehrmals das Bewusstsein. Viel zu spät begreifen die anderen, dass der junge Mann ernste Probleme hat. Als er um 21:15 Uhr ins Krankenhaus eingeliefert wird, beträgt seine Körpertemperatur nur noch 27 Grad. Er wird dann noch eiligst ins Antwerpener Universitätskrankenhaus transferiert, wo er aber wenig später für tot erklärt wird.
Die Sache hatte damals - vor anderthalb Jahren - schon für enormen Wirbel gesorgt. Die Studentenverbindung Reuzegom wurde aufgelöst. Die Mitglieder, die bei dem Aufnahmeritual anwesend waren, wurden von der Universitätsleitung bestraft. Aus heutiger Sicht fiel die Strafe allerdings eher milde aus: 30 Stunden gemeinnützige Arbeit; später mussten sie noch eine Hausarbeit zum Thema Studententaufen verfassen. Das war alles - trotz eines toten Studenten.
Kritik an der Universitätsleitung
"Wir verlangen endlich Gerechtigkeit", sagt Robrecht, ein weiterer Kumpel von Sanda Dia. Das Ganze war kein Unfall. Das beweist spätestens die Rekonstruktion von Het Nieuwsblad.
Robrecht und Lucas haben denn auch die Initiative "Justice for Sanda" gegründet. Und einige Professoren haben jetzt auch öffentlich Kritik an der Universitätsleitung geübt. "Wir wollen, dass alle Mitglieder der inzwischen aufgelösten Studentenvereinigung Reuzegom zwangsexmatrikuliert werden", sagte einer der Unterzeichner, Professor Maarten Loopmans. Und auch für die inzwischen diplomierten Studenten müsse es Konsequenzen geben.
Deutliche Kritik also an den Verantwortlichen, allen voran an Rektor Luc Sels. Der will sich den Schuh aber nicht anziehen. Die anwesenden Studenten hatten seinerzeit regelrecht gemauert. Zudem haben sich die meisten umgehend rechtlichen Beistand geholt. Was genau passiert war, blieb lange im Dunkeln. "Wenn wir damals gewusst hätten, was wir heute wissen, dann wäre die Strafe wesentlich schärfer ausgefallen." Und, zweitens: Wenn man jetzt, auf der Grundlage eines Zeitungsartikels, die Strafe verschärfen würde, dann gefährde man den anstehenden Strafprozess.
Erst müsse also die Justiz in dieser Sache ein Urteil fällen, sagt Sels. Und auf dieser Grundlage werde dann auch die Uni Sanktionen verhängen. Ob es zum Prozess kommen wird, und wie viele Mitglieder von Reuzegom sich vor einem Richter verantworten müssen, muss die zuständige Ratskammer Anfang September entscheiden.
Roger Pint
Da gibt es nur eine Lösung:
Verbot der Studententaufen. Ist doch ein archaisches Überbleibsel aus längst vergessenen Zeiten.