Der König muss einen Auweg aus der Krise finden - eine schwierige Aufgabe, doch gab es heute auch gute Neuigkeiten.
Alles im grünen Bereich, sagte der amtierende Premierminister Yves Leterme: die Staatsfinanzen seien unter Kontrolle. Das sei doch eine gute Neuigkeit, fügt Leterme hinzu, für die Bürger, aber auch für den König.
Dass Leterme hier ausdrücklich den König erwähnt, ist kein Zufall. Tatsächlich hatte Albert der Zweite Leterme gestern ins Gewissen geredet.
Das Staatsoberhaupt rief den amtierenden Regierungschef dazu auf, alles zu tun, was rechtlich möglich sei, um die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Bürger zu wahren.
Denn eins dürfte nach der "tabula rasa"- Erklärung der N-VA vom Montag klar sein: eine neue Regierung, das ist nichts für morgen. Leterme ist am Ende vielleicht sogar länger im Amt, als ihm lieb ist.
Denn die Welt hat ja nicht aufgehört zu drehen, nur weil Belgien sich festgefahren hat. Ganz im Gegenteil: die Zeitung De Morgen brachte schon die alarmierende Meldung, dass das Vertrauen der Märkte in die belgische Kreditwürdigkeit seit Montag zu bröckeln beginne. Nicht dramatisch, aber immerhin.
Vielleicht auch ein Grund, warum sich die amtierende Regierung eher kurzfristig dazu entschlossen hat, über die Finanzlage des Landes zu informieren. Und die Botschaft sei klar und deutlich, fasst der amtierende Haushaltsminister Guy Vanhengel zusammen: Belgien sei ein verantwortungsbewusstes Land, halte sich an die europäischen Vorgaben, treibe die Haushaltssanierung voran.
In Zahlen ausgedrückt: Für das laufende Jahr hatte die Regierung ein Haushaltsdefizit von 4,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes angepeilt, und sich der EU gegenüber auch dazu verpflichtet. Dieser Wert wird erreicht. Also, allen Wahlen und Krisen zum Trotz: Der Etat ist nicht entgleist.
Soweit die gute Neuigkeit, die zugegebenermaßen die mit Abstand wichtigste ist. Für den Moment. Im nächsten Jahr wird es problematisch. Bei unveränderter Politik, also würde man alles so weiterlaufen lassen, dann fehlen im Budget knapp zwei Milliarden Euro, um haushaltspolitisch auf Kurs zu bleiben. Angepeilt sind 4,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, im Augenblick prognostiziert das zuständige Expertengremium 4,6 Prozent.
Da gibt es kein Vertun: Hier sind Korrekturen angesagt. Konkret: Wie es sich im Übrigen gehört, muss ein Haushaltsplan ausgearbeitet werden. Das allerdings kann nur eine vollwertige Regierung. In Belgien ist es nämlich so, dass eine geschäftsführende Regierung nichts entscheiden oder in die Wege leiten darf, was in den Handlungsspielraum des nächsten Kabinetts hineinspielt, was dessen Entscheidungsradius möglicherweise einengt.
Hier handelt es sich zwar um ein ungeschriebenes Gesetz, das aber inzwischen fester Bestandteil des politischen Usus ist, ein Gewohnheitsrecht. Also: Die amtierende Regierung Leterme KANN keinen Etat 2011 aufstellen. Zumindest nicht in ihrer derzeitigen Form.
Bleibt nur das "System der provisorischen Zwölftel". Hinter diesem Unwort verbirgt sich eine durchaus logische Vorgehensweise: Man plant den Haushalt Monat für Monat. Doch auch hier gilt weiter: Sparmaßnahmen, die längerfristige Auswirkungen haben, sind nicht möglich. Allenfalls wird dafür gesorgt, dass der Staat normal weiter funktioniert.
Eine andere Möglichkeit wäre eine Art Notregierung: Vor allem für Leterme und seine CD&V steht das aber im Moment außer Frage. Der Grund: Die CD&V hat im Augenblick wenig Interesse daran, für die anderen den Kopf hinzuhalten. Und der Haushalt, das ist ja nur die Spitze des Eisbergs. In Kürze stehen auch die Tarifverhandlungen für die Privatwirtschaft an. Um eine Einigung unter den Sozialpartnern zu erwirken, hat hier die Regierung in den vergangenen Jahren immer ein wenig nachhelfen - kurz gesagt - Geld locker machen müssen. Auch einen solchen Part kann eine geschäftsführende Regierung nicht übernehmen.
Man kann es also drehen und wenden, wie man will: Auf der einen Seite braucht das Land unbedingt eine neue Regierung, auf der anderen Seite kann man sich an den fünf Fingern abzählen, dass sich die Verhandlungen über eine neue Staatsreform noch über Wochen hinziehen werden. Wochen, oder Monate. Wie man diese Gleichung auf Dauer lösen will ... Fragezeichen.
Nicht nur in diesem Zusammenhang darf sich der Palast also schon einmal darauf einstellen, alle Register in punkto Kreativität zu ziehen. Der König also, den ja so mancher noch vor einiger Zeit zum Blumentopf degradieren wollte ...