"Wärmstens empfohlen", so lautet also nach wie vor die Vorgabe in Bezug auf Schutzmasken. Ausformuliert: Wenn die Sicherheitsabstände nicht oder nicht immer eingehalten werden können, insbesondere in geschlossenen Räumen, dann ist das Tragen einer Maske "wärmstens empfohlen". Führende Wissenschaftler hatten genau hier eine Verschärfung der Maßgabe gefordert. "'Nachdrücklich empfohlen', das reicht nicht, 'verpflichtet', das funktioniert", hatte der Virologe Marc Van Ranst vor einigen Tagen gesagt
Konkret hatte Van Ranst hier Geschäfte und Supermärkte vor Augen. Kollegen wie Steven Van Gucht und auch Erika Vlieghe schlossen sich schnell dieser Meinung an. Erika Vlieghe ist die Vorsitzende des Beratergremiums GEES, das der Regierung mit Blick auf die Exit-Strategie zur Seite steht.
Vlieghe ging es da auch um den, nennen wir es mal, "psychologischen Nebeneffekt". Für sie sei es auch wichtig, dass man die Masken an sich wieder promotet, also ins Bewusstsein der Menschen bringt. Und eine deutliche Ansage könnte da helfen. Ihre These lautet: Viele Menschen verhalten sich inzwischen allzu sorglos nachlässig. Eine Maskenpflicht würde da wohl helfen, das Bewusstsein wieder zu schärfen.
Nur ist es ja so, dass in diesem GEES nicht nur Mediziner sitzen, sondern etwa auch Wirtschaftsvertreter. Innerhalb des Beratergremiums gab es jedenfalls schon keine Einstimmigkeit. Letztlich haben sich die Virologen jedenfalls mit ihrer Forderung nach einer Maskenpflicht nicht durchsetzen können.
Das wurde quasi amtlich bei der Pressekonferenz des Nationalen Sicherheitsrats. "Das Tragen von Masken bleibt 'wärmstens empfohlen', sagte Premierministerin Sophie Wilmès. Begründung: Es gebe keinen epidemiologischen Grund, den Menschen eine solche Verpflichtung jetzt aufzuerlegen. Konkret: Die Corona-Zahlen werden mit jedem Tag besser, deswegen wäre für viele eine derartige Vorschrift nicht nachvollziehbar gewesen.
Das ist aber nicht das Ende der Geschichte. "Die Diskussion ist nicht vom Tisch", sagte Erika Vlieghe in der VRT. Sollte sich die Lage verschlechtern, sollte die Zahl der Neuinfektionen irgendwann spürbar ansteigen, dann werde man die Maskenpflicht wieder aufs Tapet bringen; und sie dann auch durchsetzen, sagte Vlieghe. Man sei derzeit noch dabei, konkrete Schwellenwerte auszuarbeiten, also den genauen Moment zu definieren, in dem die Einführung einer Maskenpflicht sich quasi aufzwingt.
Und - damit das klar ist - fügte Vlieghe hinzu: Wir werden mit einer Maskenpflicht nicht warten, bis wir mitten in einer zweiten Welle stecken. In dem Moment, wo wir den Eindruck haben, dass die allgemeine Situation in die falsche Richtung geht, werden wir nicht zögern, entsprechende Maßnahmen zu verhängen.
Apropos: Dieser "Moment", der muss ja auch definiert werden. Also konkret: Ab wann entsteht Handlungsbedarf? Welcher Parameter ist da ausschlaggebend? Ist es die Zahl der Neuinfektionen? Ist es der sogenannte R-Wert? Ist es der Belegungsgrad der Krankenhausbetten? Die Zahl der Neueinlieferungen?
"Wir konzentrieren uns da nicht auf einen speziellen Wert, sondern beobachten eine Kombination aus verschiedenen Faktoren ", erklärte Erika Vlieghe. Es gibt Früherkennungsmarker, wie etwa die Zahl der Hausarztkonsultationen für grippale Symptome. Dann natürlich auch der Prozentsatz positiver Tests. Die Krankenhausaufnahmen sind hier nicht so relevant, weil man sich da ja schon in einer späteren Phase des Krankheitsverlaufs befindet.
Maßgeblich ist also ein "Trend". Wenn zu viele Faktoren in den orangen Bereich gehen, dann werden Gegenmaßnahmen nötig. Und man kann darauf wetten, das spätestens dann auch schnell eine Maskenpflicht akut werden dürfte...
Roger Pint