Die Entwicklung gibt der politischen Spaltung im Land eine neue Dimension: Die Rechten vom Vlaams Belang haben sich in den Umfragen im Norden des Landes an der Spitze festgesetzt. Der Süden und die Hauptstadtregion tendieren hingegen nach wie vor nach links.
Im aktuellen Politbarometer von Le Soir, RTL, Het Laatste Nieuws und anderen kommen die flämischen Rechtsextremisten auf 27,7 Prozent. Seit September stehen sie damit ununterbrochen an erster Stelle. Die N-VA kommt aktuell auf nur 20 Prozent.
Allerdings gehören die beliebtesten flämischen Politiker nach wie vor alle zur N-VA, nämlich in Reihenfolge Parteichef Bart De Wever, Ex-Asylstaatssekretär Theo Franken und Ministerpräsident Jan Jambon.
In der Wallonie liegt die PS mit 23,7 Prozent vor der MR und der PTB. In Brüssel haben die Grünen die Sozialisten erneut an der Spitze abgelöst. Beide liegen aber nah beieinander. Auf Platz drei folgt die MR.
Die Liberalen profitieren wohl auch von der Popularität von Regierungschefin Sophie Wilmès. Bei den frankophonen Wählern liegt die MR-Politikerin im Classement der beliebteste Politiker nun sogar auf Platz eins.
Peter Eßer
Es ist "Fünf vor Zwölf" für den belgischen Staat. Die Pannen und Fehler, die während der Coronakrise passiert sind, sind Wasser auf die Mühlen der Extremisten. Gute und glaubwürdige Politik ist das einzige und das beste Mittel gegen Extremisten. Alles andere wäre kontraproduktiv.
Belgien braucht schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung mit einem glaubwürdigen Nach-Corona-Zukunfskonzept. Dazu gehört eine abschließende Staatsreform mit einem gut durchdachten Föderalismus wie etwa in der Schweiz. Und genau wie dort, müsste es mehr direkte Demokratie geben.
Die aktuelle belgische Parteienoligarchie engt Bürgerrechte nur ein. Degradiert den Bürger zum Untertanen, zum Zuschauer und Zahlmeister des politischen Systems.
@Marcel Scholzen Eimerscheid: In der Schweiz gibt es ein Wir-Gefühl, das in Belgien weitgehend fehlt: Belgier definieren sich an erster Stelle als Flamen, Wallonen oder Deutschsprachige. Das führt zu einer Politik von Kompromissen auf dem kleinesten gemeinsamen Nenner sowie einem aufgeblähten und teuren Politik-Apparat (9 Gesundheitsminister) auf der einen und einer wachsenden Politikverdrossenheit auf der anderen Seite, wovon gerade in Krisenzeiten radikale Parteien wie die N-VA und der noch radikalere Vlaams Belang profitieren.
Was Belgien jetzt bräuchte, wäre ein Premier- oder Innenminister aus der DG, der das Land zusammenführt und eint.
Schauen wir auf Rumänien: Der deutschstämmige Klaus Johannis hat mit seiner klaren politischen Linie und konsequenten Korruptionsbekämpfung das Land gestärkt. So jemanden, der sowohl von Flamen als auch von Wallonen in gleicher Weise akzeptiert wird, wäre ein Segen für Belgien.
Werter Herr Jusczyk.
Theoretisch eine gute Idee, einen Deutschsprachigen als Staatsführer und "letzte entscheidende Instanz", der über allen steht und von allen akzeptiert wird. Nur das ist pure Utopie. Weder ein flämischer Nationalist noch ein wallonischer Sozialist wollen sich was sagen lassen von Auswärtigen. Sind bedacht auf ihre Eigenständigkeit.
Sollte es im Extremfall zu einem flämisch-wallonischen Konflikt kommen, so wird das Ausland eingreifen und für eine Problemlösung sorgen und aus Belgien ein Protektorat machen. Ungefähr wie jetzt Bosnien-Herzegowina. Dort kann der "Hohe Repräsentant", eine Art Gouverneur, gegen jedes Gesetz sein Veto einlegen.
Dieses Brüssel kann Belgien nicht einigen.
Dieses Brüssel wird Europa nie einigen.
Noch Fragen?
Werter Herr Jusczyk.
So eine deutschstämmige neutrale Persönlichkeit gibt es schon in Belgien seit seiner Unabhängigkeit. Wer könnte das wohl sein ? Es ist der belgische König. Sein Urahn Leopold I stammte aus Deutschland. Nur dieser König macht keine Politik im eigentlichen Sinne, ist eher Schiedsrichter und Vermittler.
Paul Magnette hat es richtig formuliert. Ab jetzt muss ein mal ein flämischer oder ein deutschsprachiger MP die Föderalregierung bilden.