Der Fall ist aufsehenerregend. 42 Tage hat die Entführung eines 13-Jährigen aus Genk gedauert. Eine der längsten der belgischen Geschichte.
Die bisher bekannten Hintergründe klingen zumindest zum Teil wie aus dem Drehbuch eines Krimis. So auch der Ablauf der Geiselnahme in der Nacht vom 20. auf den 21. April 2020: Die Entführer kamen maskiert, schwerbewaffnet und mit einem gestohlenen Fahrzeug. Sie drangen in die elterliche Wohnung des Opfers ein und nahmen das Kind der Familie mit, wie der Limburger Prokurator des Königs, Guido Vermeiren, erläuterte.
Wie man unter anderem in Gazet van Antwerpen am Dienstag lesen kann, hatten sich die Entführer als föderale Polizisten verkleidet. Wenige Tage später folgte dann eine Lösegeldforderung über fünf Millionen Euro.
Wohl kaum ein Zufallsopfer
Während der 42 Tage habe es mehrere Kontakte gegeben. Auch hätten die Geiselnehmer zwei Mal Lebenszeichen des entführten Jungen übermittelt, wie Prokurator Vermeiren präzisierte.
Über die Hintergründe der Tat herrschte zunächst Rätselraten. Aber in den seltensten Fällen handele es sich bei Entführungen um Zufallsopfer. Auch wenn Prokurator Vermeiren sich hierzu nicht weiter äußern wollte.
Opferfamilie kein unbeschriebenes Blatt im Drogenmilieu
Die Familie wird in Genk selbst als unauffällig beschrieben. Aber nach Medienberichten ist die Familie des entführten Jungen kein unbeschriebenes Blatt. Ein Onkel sitzt gerade eine lange Haftstrafe ab, er soll der Kopf eines internationalen Drogenrings sein.
Auch der Vater des 13-Jährigen hatte deswegen eine Strafe von sechs Jahren bekommen, war aber inzwischen auf freiem Fuß. Und es könnte dieser Gerichtsprozess gewesen sein, der die Entführer auf die Idee gebracht hat, dass hier etwas zu holen sein könnte. 8,3 Millionen Euro waren damals nämlich beschlagnahmt worden.
Eine Vermutung, die auch der Anwalt der Opferfamilie, Luk Delbrouck, im Interview mit der VRT teilte. Offenbar habe man bei der Familie Geld vermutet, das aber nicht da gewesen sei.
Was stutzig machte, war, dass eine solche Tat im Drogenmilieu unüblich ist: Die Kinder seien normalerweise tabu, so Gazet van Antwerpen.
Geiselnahme endet glimpflich
Womit die Kidnapper wohl definitiv nicht gerechnet hatten, war, dass die Familie die Polizei einschalten würde. Schon bald observierten Beamte verschiedene Verdächtige. Drei Mal sollen die Entführer während der 42 Tage den Standort des Kindes gewechselt haben und nach Angaben von De Standaard und der VRT sei letztlich zwei Mal Lösegeld geflossen, einmal 300.000 Euro in Banknoten und in Goldbarren, dann eine zweite Tranche in Höhe von 30.000 Euro am Sonntagabend. Der Anwalt der Familie bestreitet das. Polizei und Staatsanwaltschaft wollten sich nicht äußern.
Jedenfalls wurde der Junge dann freigelassen. Ungefähr einen Kilometer von der Wohnung der Familie ließ man ihn gegen Mitternacht laufen. Der 13- Jährige befinde sich in einem recht guten Zustand, so der Anwalt.
Noch in der gleichen Nacht schlug dann die Polizei zu. An vier Orten in Antwerpen und fünf in Limburg fanden Hausdurchsuchungen durch Spezialeinheiten statt, sieben Verdächtige wurden festgenommen.
Nach Informationen von Gazet van Antwerpen soll dabei auch eine automatische Kriegswaffe gefunden worden sein. Bei sechs der Verdächtigen hat der Untersuchungsrichter entschieden, dass sie in Haft bleiben. Einer wurde unter strengen Auflagen freigelassen.
Verdächtigter Terrorist auf freiem Fuß
Aufhorchen lässt das Profil der Festgenommen. Bei fünf der sieben soll es sich um Männer mit Verbindungen zu Dschihadistengruppen in Belgien handeln. Unter ihnen der vermutete Strippenzieher: ein 45-Jähriger aus der Region Maaseik namens Khalid Bouloudo.
Bouloudo war bereits zwei Mal wegen Terrorismus verurteilt worden. Einmal zu fünf Jahren wegen Angehörigkeit zu einer islamistischen Terrorgruppe aus Marokko, die für die Anschläge in Casablanca 2003 und in Madrid 2004 verantwortlich gemacht wird. Und ein zweites Mal 2015 wegen der Rekrutierung von Kämpfern für die Gruppe Islamischer Staat in Syrien. Dafür bekam er zunächst zehn Jahre Gefängnis, ein Berufungsgericht reduzierte das aber später auf drei Jahre mit Bewährung.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist unklar, was die genaue Motivation beziehungsweise Ziele der Entführer waren. Einerseits waren einige Radikalislamisten auch in den Drogenhandel der Familie des Opfers verwickelt und deswegen verurteilt worden. Andererseits wird spekuliert, ob es bei der Lösegelderpressung darum ging, Geld für den bewaffneten Kampf von Dschihadisten oder mögliche Terroranschläge aufzutreiben.
So oder so wird eine der dringendsten Fragen für die Sicherheitsbehörden aber sein, wie bereits mehrfach verurteilte Terroristen sich erneut organisieren und offenbar auch schwer bewaffnen konnten.
Boris Schmidt
Bouloudo war bereits zwei Mal wegen Terrorismus verurteilt worden. Einmal zu fünf Jahren wegen Angehörigkeit zu einer islamistischen Terrorgruppe aus Marokko, die für die Anschläge in Casablanca 2003 und in Madrid 2004 verantwortlich gemacht wird. Und ein zweites Mal 2015 wegen der Rekrutierung von Kämpfern für die Gruppe Islamischer Staat in Syrien. Dafür bekam er zunächst zehn Jahre Gefängnis, ein Berufungsgericht reduzierte das aber später auf drei Jahre mit Bewährung.
////
Solche Strafen machen sicher mächtig Eindruck auf diese Leute. Die bekommen doch Lachanfälle wenn man denen mit der Belgischen Justiz droht....