Außenminister Philippe Goffin von der MR und Flanderns Ministerpräsident Jan Jambon von der N-VA reagierten bislang noch gar nicht auf die neue Diskussion rund um den Karneval in Aalst. Als der israelische Außenminister am Donnerstag mit seinem Tweet die Sache international wieder zur Sprache brachte, hielten sich Goffin und Jambon mit Kommentaren zurück.
Stattdessen schickte die flämische Regierung ihren liberalen Innenminister Bart Somers vor. Als langjähriger Bürgermeister von Mechelen kennt er sich gut aus in Befindlichkeiten, die es zwischen unterschiedlichen Gemeinschaften geben kann. Aber auch bei ihm fiel die Bitte des israelischen Außenministers nicht auf fruchtbaren Boden.
So etwas, wie den Karneval in Aalst oder auch nur die Juden-Karikaturen zu verbieten, das könne die Obrigkeit nicht, sagte Somers am Freitagvormittag im VRT-Radio. Aber er glaube schon, dass man in Aalst mal gründlich darüber diskutieren und nachdenken sollte, was man mit den Karikaturen eigentlich erreichen wolle.
Ähnlich sieht das der Bürgermeister von Aalst, der N-VA-Politiker Christoph D'Haese. Auch er will den Karnevalisten in seiner Stadt nichts vorschreiben. "Sensibilisieren ist die eine Sache, verbieten oder zensieren ist etwas anderes", sagte er ebenfalls am Freitagvormittag bei der VRT.
D'Haese zeigt durchaus Verständnis dafür, dass die Darstellung von Juden auf einem Umzugswagen vergangenes Jahr Kritik geerntet hat. Orthodoxe Juden waren damals als geldgierig und mit langen, krummen Nasen dargestellt worden. Ein Klischee, das an die dunklen Zeiten der Nazi-Herrschaft erinnert. Aber der Bürgermeister warnt auch vor zu scharfer Kritik. "Das ist auch ein bisschen das Problem der Debatte, die jetzt geführt wird: Dass nämlich ziemlich viele Menschen jetzt Meinungen verbreiten über ein Volksfest, bei dem 80, 90 Prozent dieser Kritiker noch kein einziges Mal dabei gewesen sind. Sie begreifen nicht, worum es beim Karneval in Aalst eigentlich geht", sagt er.
Beim Karneval in Aalst gehe es nämlich darum, sich über alles lustig machen zu können, was keinem schadet. Die Menschen in Aalst seien mitnichten rassistisch oder antisemitisch. Da solle man doch selbst in die Stadt kommen, um sich davon zu überzeugen. Er habe großes Verständnis für die Betroffenheit der jüdischen Gemeinschaft, wiederholte Bürgermeister D’Haese. "Aber ich habe auch Vertrauen in den gesunden Menschenverstand der richtigen Karnevalisten", fügte er hinzu.
Bei den angesprochenen Karnevalisten kommt die Kritik an ihnen nicht wirklich gut an. Zumindest geben sie sich bislang noch unbeugsam, wollen sich mitnichten von außen vorschreiben lassen, wie sie ihre Wagen zu gestalten haben. Dirk Verleysen, Vorsitzender des Festkomitees des Aalster Karnevals, sagt zur Kritik an den Juden-Darstellungen: "Nein, wir werden da nicht nachgeben. Zugegeben: Das ist eine Grauzone. Wir bewegen uns da jetzt auf einem schmalen Grat. Das hat mit Sicherheit die moderne Welt mit sich gebracht. Aber wir werden nicht nachgeben. Wir appellieren an den gesunden Menschenverstand von allen."
Mit dieser Haltung bleibt zu befürchten, dass auch am Sonntag wieder Juden-Karikaturen mit beim Aalster Karnevalsumzug dabei sein werden - vor den Kameras von Journalistenteams aus der ganzen Welt. Was bei Innenminister Somers keine Vorfreude auf das Fest auslöst. "Ich glaube, dass das Bild, das Montag die Welt von Aalst und damit auch von Flandern haben wird, kein schönes Bild sein wird", bedauert Somers.
Kay Wagner