Mehr als 400 Tage keine vollwertige Regierung. Parteien, die sich lieber ausschließen, als einen Kompromiss einzugehen. Der berühmte belgische Kompromiss kommt scheinbar nicht mehr zustande. Das führt dazu, dass in Flandern schon laut vom Ende Belgiens geträumt wird.

N-VA-Fraktionschef De Roover hofft, dass von Belgien so wenig wie möglich übrig bleibt. "Es sollte ein evolutionärer Prozess sein. Ich bin kein Revolutionär. Man muss auf Brüche aufpassen. Da kommt auch meistens nichts Gutes bei raus. Aber diese Evolution findet schon lange statt. Und das sollte auch mit großem Tempo fortgesetzt werden. Denn der Status quo - der Istzustand des Staates wie wir ihn jetzt kennen - ist eine Kombination des Schlechtesten vom Schlechten."
Ein Traum, der immer erreichbarer scheint. Noch fünf Parlamentssitze mehr und die N-VA hätten zusammen mit dem Vlaams Belang eine Mehrheit im flämischen Parlament.

Für den flämisch gesinnten Politologen Bart Maddens von der Universität Löwen, könnte das ein Wendepunkt in der Geschichte Belgiens werden. "Um eine echte systemrelevante Reform zu gestalten, die zum Konföderalismus führen würde, braucht man eine Hebelwirkung. Und diese Hebelwirkung könnte dadurch ausgelöst werden, dass die flämischen Nationalisten der N-VA und des Vlaams Belang eine Mehrheit im Flämischen Parlament erreichen", sagt Maddens.
"In einer ersten Phase könnte diese Mehrheit damit drohen, die Unabhängigkeit Flanderns auszurufen, sollte es keinen Konföderalismus geben."
Sollte dieser Konföderalismus nicht im Rahmen der belgischen Verfassung erreicht werden, dann hält Bart Maddens es nicht für ausgeschlossen, dass das Ziel verfassungswidrig erreicht wird. "Ich hoffe, dass es im Rahmen der Gesetzgebung gelöst werden kann, damit das System der Blockade aufgehoben wird. Dadurch kann der logische Schritt Richtung Konföderalismus gemacht werden", so Maddens.
"Wenn das nicht mehr möglich ist, dann müssen wir nach Lösungen abseits der Verfassung suchen. Es wäre wie eine Notfallverletzung des Grundgesetzes. Wenn man merkt, dass alles blockiert und man in keine Richtung weiter kann, dann ist die Verfassung letztendlich auch kaum mehr als ein Fetzen Papier."
Die Antwort aus dem Französischsprachigen Belgien ist nicht überraschend. Nein, nein und nochmal nein. Aber das heißt nicht, dass jeder in der Wallonie an Belgien in seiner jetzigen Form festhält.

Die Regionalisten haben Rückenwind. Und es sind andere Regionalisten, als die aus der Vergangenheit. Das sagt der liberale MR-Minister für Finanzen und Haushalt der Wallonischen Region Jean-Luc Crucke. "Es gibt verschiedene wallonische Regionalisten. Der ehemalige Bürgermeister von Charleroi, Jean-Claude Van Cauwenberghe, ist zuerst Wallone. Ich sehe mich zuerst als Belgier, aber in einem Land das besser funktionieren muss. Wenn Belgien morgen noch existieren soll, brauchen wir stärkere Regionen. Das heißt vier starke Regionen für ein starkes Land."
Jean-Luc Crucke gibt aber auch zu, dass nur eine Minderheit der Wallonen für solch ein Modell zu begeistern ist.

Auch Thierry Bodson, der Chef der FGTB-Gewerkschaft, ist so ein Regionalist. "Ich bin ein pragmatischer Regionalist. Die Regionalisierung der Wirtschaftspolitik, der Beschäftigungspolitik und der Berufsausbildung war absolut notwendig. Das was früher für eine Region gut war, war nicht gut für die andere und umgekehrt. Heute kann man sich die Frage stellen, ob die Energiepolitik, die zum Teil beim Föderalstaat und bei den Regionen liegt, nicht besser regionalisiert werden soll oder wieder ganz zurück zum Föderalstaat."
Klar muss sein, dass die Vorstellungen der wallonischen Regionalisten ganz andere sind, als die der Regionalisten in Flandern. Die Regionalisierung soll der Rettung Belgiens dienen. Das wäre bevorzugt ein Belgien zu viert: Flandern, die Wallonie, Brüssel und die Deutschsprachige Gemeinschaft.
Zudem könnte über alles verhandelt werden, sagt der wallonische Minister Jean-Luc Crucke, nicht aber über die Teilung der Sozialsicherheit. "Die Solidarität zwischen den Menschen - das ist der Zement unseres Landes. Wenn das nicht mehr besteht, hat man auch kein Land mehr", sagt Crucke.
Philippe Destatte ist Direktor der Denkfabrik Jules Destrée. Auch er bezeichnet sich als Regionalist. Und er stellt die Frage, ob wir nicht Sonderwahlen organisieren müssen - nicht über Pensionen oder das Klima, sondern nur über den zukünftigen Aufbau des belgischen Staates. "Wir sind in Belgien an einem Punkt angelangt, wo wir den nationalen Pakt neu festlegen sollten. Bevor wir Neuwahlen organisieren, die vielleicht wieder zu nichts führen, sollten wir eine Wahl über die Zukunft Belgiens organisieren."

Dass irgendwann mal ein Belgien zu viert kommen wird, davon ist Staatsminister Johan Vande Lanotte schon länger überzeugt.
Dass die Deutschsprachige Gemeinschaft eine vollwertige eigenständige Region wird, ist für ihn auch kein Problem. Denn schließlich gebe es in der Schweiz kleinere Kantone. Und dort funktioniere das auch.
vrt/mz
"Dass die Deutschsprachige Gemeinschaft eine vollwertige eigenständige Region wird, ist für ihn auch kein Problem. Denn schließlich gebe es in der Schweiz kleinere Kantone. Und dort funktioniere das auch."
Das klingt beruhigend. Die Belgische Föderation der vier vollständigen Regionen am Vorbild der Schweiz, bzw. ich gehe einen Schritt weiter, als Vorbild für die Ablösung der EU durch eine Mitteleuropäische Staatengemeinschaft. Im Prinzip das Belgien zu Viert was KHL schon vor vielen Jahren vorgeschlagen hat