Was für ein Durcheinander. Die belgische Fußball-Profiliga ist am Mittwoch regelrecht implodiert. Der Verwaltungsrat der Pro League musste die Neuvergabe der TV-Erstrechte definitiv absegnen. Und da stand eine kleine Revolution an, genauer gesagt: Man wollte sich für einen neuen Partner entscheiden. Die bisherigen Rechteinhaber waren die Telekom- und Medienanbieter Proximus, Telenet und VOO. Hier konnte man also die Live-Spiele verfolgen. Nur wurden die drei Platzhirsche ausgestochen: Der Sportsender "Eleven Sports" will 103 Millionen Euro auf den Tisch legen pro Jahr. Das sind 23 Millionen mehr als bisher. Und das würde gelten für die nächsten fünf Jahre.
103 Millionen Euro pro Jahr, das ist Rekord. Und das hätte ja eigentlich für Feierstimmung sorgen müssen innerhalb der Pro League. Dem war aber nicht so.
Erstmal ging es um die Frage, wie der unverhofft große Kuchen aufgeteilt werden sollte. Hier stehen sich ja traditionell die großen und die kleinen Clubs mit gezückten Messern gegenüber. Eine erste Verhandlungsrunde war denn auch Ende vergangener Woche krachend gescheitert. Am Montag gab's dann aber doch weißen Rauch. Der Verwaltungsrat der Pro League einigte sich auf einen Verteilerschlüssel. Und der ganze Deal musste dann nur noch am Mittwoch durch die Generalversammlung ein für allemal besiegelt werden.
Schnell zeigte sich aber, dass das kein Selbstläufer sein würde. Am Tagungsort in Diegem bei Brüssel ging es offenbar zu wie in einem Taubenschlag: Funktionäre mit Handys am Ohr, die wild gestikulierend durch die Gegend liefen - irgendwie ein Hauch von Krisenstimmung. Am Ende kam dann doch die erforderliche Zweidrittelmehrheit zustande.
Danach aber der Paukenschlag: Zwei der 24 Vereine wollen nicht mitmachen, scheren aus, fühlen sich nicht an die Vereinbarung gebunden. Besagte Abweichler sind der AA Gent und der FC Antwerp. Deren Beweggründe sind anscheinend unterschiedlich. Beim AA Gent gibt es anscheinend Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit von Eleven Sports, insbesondere an den tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten des Senders. Eleven Sports ist noch nicht lange auf dem belgischen Markt aktiv, seit gerade mal fünf Jahren, um genau zu sein. Dahinter steht aber dann doch die gleichnamige multinationale Gruppe, die weltweit aktiv ist, allein in elf europäischen Ländern. Eleven Sports ist also doch nicht irgendwer.
Vielleicht hat bei den Verantwortlichen aus Gent auch mitgespielt, dass einer der wichtigsten Sponsoren des Clubs niemand geringerer ist als Telenet, also eins der Unternehmen, das gegen Eleven Sports den Kürzeren gezogen hatte.
Naja, Gent war jedenfalls schon mal draußen, bekam aber dann nochmal Gesellschaft: Der FC Antwerp ist anscheinend der Meinung, dass dem Verein ein größeres Stück des Kuchens zustehen müsste: Weil man inzwischen oben mitspielt und zudem einen großen Einzugsbereich hat, will man an der Schelde mehr Geld aus dem Topf.
Peter Croonen, der Präsident der Pro League, konnte am Abend jedenfalls nur den Schlamassel feststellen. Über die Beweggründe der beiden Vereine wolle er sich nicht äußern, sagte er in der VRT. Dafür sei die Geschichte noch zu frisch. AA Gent und FC Antwerp könnten ja beizeiten selbst verdeutlichen, warum sie aus dem Verbund ausgeschert sind.
"Aber Sie sind doch wohl sauer, oder?", wandte sich ein Journalist an den Präsidenten der Pro League. "Nö, nicht sauer", sagt Croonen, "nur emotional".
Naja, er könne jedenfalls hoffen, dass man das "Problemchen" doch noch in den Griff bekommen werde. Croonen sagt ausdrücklich "Problemchen". Er hoffe, dass man doch noch eine Einigung erzielen könne. Immerhin sei man schon viel weiter als noch am vergangenen Freitag, wo es ja auch richtig gescheppert hatte. Er habe die Hoffnung jedenfalls noch nicht aufgegeben.
Im Moment gibt die Pro League aber dann doch ein trauriges Bild ab. Bleibt es dabei, dann würden sich der AA Gent und der FC Antwerp also erstmal individuell vermarkten. Und dann stellt sich auch die Frage, ob der Deal mit Eleven Sports überhaupt noch Bestand hat. Eleven zahlt für ein Paket mit 24 Mannschaften - und kriegt erstmal nur 22.
Roger Pint