Rund 24.000 neue Motorradführerscheine in einem Jahr: So viele Menschen wie noch nie haben 2019 in Belgien die Prüfung für die Freiheit auf zwei Rädern bestanden. Alle Kategorien zusammen. Denn wer beim Motorrad vom Führerschein spricht, der muss unterscheiden. Es gibt Führerscheine für die kleinen, mittleren und großen Motorräder, jeweils bezogen auf die Leistungsstärke der Maschinen. Mit 18 Jahren darf man nur den Führerschein A1 für die kleinsten Maschinen ablegen. Erst mit 24 Jahren den Führerschein A3, mit dem man auf allen Motorrädern in Belgien fahren darf.
Warum Motorradfahren immer beliebter wird, versucht Virginia Li Puma, Sprecherin der Führerscheinprüfungs-Organisation Autosécurité, wie folgt zu begründen: "Der Motorradführerschein hat noch etwas Spielerisches an sich", sagt sie. "Das macht den Leuten einfach Spaß, sie haben Lust, den Motorradführerschein zu machen. Auf der anderen Seite ist das eine Frage der Mobilität. Es gibt einem die Möglichkeit, das Transportmittel zu variieren. Und es stimmt: Für einige Personen ist es einfacher, zur Arbeit mit dem Motorrad statt mit dem Auto zu fahren. Dadurch kommen sie besser durch den Verkehr."
Frage der Mobilität
Besser durch den Verkehr kommt man mit Motorrädern vor allem dann, wenn es Staus gibt, und man sich mit dem Zweirad durch die langsam fahrenden oder gar stehenden Autoreihen hindurch schlängeln kann.
Tatsächlich ist das einer der Gründe, warum sich auch der 20-jährige Jamal für den Motorradführerschein A2 schulen lässt. "Ich wohne in Flandern, muss aber für meine Ausbildung nach Brüssel fahren", sagt er. "Ein Motorrad ist dabei viel praktischer, um mit dem großen Verkehrsaufkommen zurechtzukommen."
Das leichtere Vorwärtskommen bei dichtem Verkehrsaufkommen ist für Jamal aber nicht der einzige Grund, warum er den Motorradführerschein erwerben will. Als weitere Gründe nennt er die niedrigeren Kosten, die für ein Motorrad im Vergleich zum Auto anfallen. Und die noch relativ neue Umweltpolitik mancher Städte. "Die meisten Autos, die vom Preis her noch interessant für junge Menschen sind, sind Autos, mit denen man bald nicht mehr in den großen Städten fahren darf. Motorräder sind erstens preiswerter und haben heute mindestens die Euro-Norm 5. Das macht es möglich, mit ihnen in den großen Städten zu fahren", sagt er.
Führerschein einfacher und billiger
Auch der Erwerb des Führerscheins für Motorräder ist einfacher und billiger im Vergleich zum Auto. Neben theoretischem Unterricht mit abschließender Prüfung müssen in einer Fahrschule zwölf Fahrstunden genommen werden, bevor die praktische Prüfung abgelegt werden kann. Mindestens 700 Euro müssen in der Regel für die Ausbildung veranschlagt werden.
Das alles zusammen scheint so attraktiv zu sein, dass sich bei den Motorradfahrschulen mittlerweile Warteschlangen gebildet haben. "Zurzeit muss man zwei bis drei Monate warten, um einen Termin bei einer Motorradfahrschule zu bekommen", sagt Ausbilder Robert Olbrechts. "Das liegt auch daran, dass es wenig Fahrschullehrer für Motorräder in Belgien gibt, gleichzeitig aber viele Kandidaten. Deshalb machen jetzt auch im Winter viele ihren Führerschein, denn jetzt gibt es mehr Plätze, als sonst."
Dass Motorradfahren allerdings gefährlicher als Autofahren ist, wenn es dann mal zu einem Unfall kommt, scheint die neue Zweiradbegeisterung der Belgier nicht bremsen zu können. Motorradfahren in Belgien ist zurzeit in. Und ein Ende des Trends zeichnet sich erst einmal nicht ab.
Kay Wagner