Am frühen Nachmittag trafen sich die beiden Wahlsieger im Parlament mit einem festen Händedruck, mit dem sie wohl den Eindruck vermitteln wollten, dass noch nicht alles verloren ist. Dann verschwanden sie in einem Versammlungsraum mit den beiden königlichen Vermittlern, André Flahaut und Danny Pieters.
Einmal mehr wurde das Treffen als Zusammenkunft der letzten Chance bezeichnet. Diese Einschätzung trifft mehr denn je zu, denn PS und N-VA müssen heute wohl endgültig sagen, ob es für sie noch einen Sinn hat, weiter miteinander zu verhandeln. Verschiedene Erklärungen aus den eigenen Kreisen der beiden Parteichefs ließen am Wochenende durchblicken, dass das Misstrauen nur noch größer geworden ist.
Die flämischen Nationalisten fordern nach wie vor Garantien für die tatsächliche Ausführung eines neuen Finanzierungsgesetzes, das den Gliedstaaten eine große finanzielle Verantwortung zuschieben soll. Bisher hat sich Elio Di Rupo stets geweigert, dieser Forderung nachzukommen. Er verwies darauf, dass alles bisher bei den Verhandlungen Erreichte ein Paket bildet. Ein Ganzes, aus dem man nicht nach Belieben einen Teil herausnehmen und getrennt behandeln kann. Die fünf anderen Parteien sind mit dem PS-Argument einverstanden, dass Staatsreform, Finanzierungsgesetz, Neufinanzierung der Region Brüssel und die Spaltung von B.H.V ein Gesamtpaket bilden.
Nach ihrer Vorstandssitzung ließ die CD&V wissen, man müsse wohl einen neuen Verhandlungsrahmen schaffen. Die Vertrauenskrise zwischen Di Rupo und De Wever könne nicht so ohne weiteres beigelegt werden. Noch deutlicher war Melchior Wathelet, der für die cdH an den Verhandlungen beteiligt ist. Jetzt sei der Augenblick gekommen, an dem jede Partei zeigen müsse, dass sie den politischen Wille besitze, ein Regierungsabkommen zu schließen. Ein Scheitern der Verhandlungen ist für die cdH keine Lösung. Es würde viel Zeit und Geld kosten.
Bei der PS wird seit einigen Wochen die Frage gestellt, ob man der N-VA noch vertrauen kann. Zu oft habe De Wever nicht Wort gehalten, hieß es bei den Sozialisten. Doch die schärfsten Töne schlug der Brüsseler Ministerpräsident und PS-Spitzenpolitiker Charles Picqué an. Er unterstrich, man müsse die frankophone öffentliche Meinung darauf vorbereiten, dass eine Spaltung des Landes durchaus möglich sei. Die Frankophonen wollten bis zuletzt verhandeln, denn ein Scheitern der Verhandlungen laufe auf ein politisches Abenteuer hinaus. Man dürfe aber den flämischen Nationalisten nicht nachgeben. Diese seien politische Gegner, könnten jedoch sehr schnell zu Feinden werden, die an die Überlegenheit ihrer Volksgruppe glaubten. Sie wollten das Finanzierungsgesetz in Frage stellen und das Prinzip der Solidarität anfechten, um Flandern zu stärken.
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