Es dürfte wohl der Verhandlungspause in Sachen Regiererungsbildung geschuldet sein, dass das einflussreiche flämische Nachrichtenmagazin Knack in der vergangenen Woche einmal dem Ministerpräsidenten der Deutschsprachigen Gemeinschaft auf den Zahl fühlte. Das Resultat des Vier-Augen-Gesprächs der Knack Journalistin Ann Peuteman am neuen Amtssitz des Regierungschefs in Eupen war der jüngsten Ausgabe des Magazins eine vierseitige Fotoreportage wert.
"Belgien muss ein Land mit vier Teilstaaten werden", lautet kurz und knapp der Aufmacher des Interviews, das nicht nur in Flandern auch die letzten Zweifel an der klaren Position der Deutschsprachigen im Hinblick auf ihr künftiges politisches Schicksal beseitigt.
Die Knack-Journalistin Ann Peuteman porträtiert den MP als ebenso versierten wie erfahrenen Beobachter der aktuellen politischen Szene im Land. Lambertz ist davon überzeugt, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft eine vollwertige Komponente Belgiens sein muss. Ein Unterteil der Wallonie komme nicht in Frage. Weder eine "Ménage à trois" mit Brüssel noch das in Flandern favorisierte Zwei-Teilstaaten-Modell seien realistisch, so Lambertz. Die jetzige Situation sei die Folge eines typischen Kompromisses "à la belge", eine an sich geniale Konstruktion, die aber der aktuellen Situation bei weitem nicht mehr gerecht werde.
Bescheiden weist Karl-Heinz Lambertz darauf hin, dass Flamen und Wallonen bei den Gesprächen die Richtung vorgeben. Kein Zweifel: Sie bestimmen die Architektur des Landes. Wenn darüber Einigung herrsche, gelte aber das Prinzip: "Wir verlangen ebensoviel Autonomie wie Flamen und Frankophone für sich selbst einfordern." Er hoffe, dass alle Verhandlungspartner zwischenzeitlich begriffen hätten, dass Belgien nur weiter existieren könne, wenn auf dem Verhandlungswege am Ende ein Konsens stehe. Deshalb habe die DG auch den Interessenkonflikt in der BHV-Frage aufgerufen, weil sie zwar nicht direkt betroffene Partei sei, aber als Teil des Landes ein eches Interesse daran haben müsse, dass es zu einer Lösung komme.
Ob er noch Vertrauen habe in die Konstellation der sieben Verhandlungsparteien, wollte Ann Peuteman wissen. Lambertz antwortet mit Ja. Für den Fall eines Scheiterns müsse halt eine andere Koalition antreten. Zum jetzigen Zeitpunkt könne man nichts ausschließen, so der Regierungschef aus Eupen. Auch nicht die mögliche Bereitschaft der Sozialisten, die frankophonen Liberalen mit ins Boot zu nehmen. Nebenbei bemerkt, sei es einmal interessant zu untersuchen, warum die flämischen Nationalisten bei den letzten Parlamentswahlen soviel Zulauf erhalten hätten.
Er hoffe, dass Elio Di Rupo nächster Premier werde. Aber sicher sei das auch nicht. Im jetzigen Stadium sei alles möglich, prophezeit der Ministerpräsident. Es werde mehr oder weniger immer noch verhandelt. Es sei ein Glück, dass noch niemand wirklich den Stecker herausgezogen habe. Niemand sei zum jetzigen Zeitpunkt an einem Scheitern interessiert. Auch die flämische N-VA nicht.
Lambertz rechnet selbst nicht mit einem durchschlagenden Erfolg der Verhandlungen in diesem Jahr. Das sage ihm das Gefühl. Eigentlich normal, denn das, was derzeit auf dem Verhandlungstisch liege, sei nach seiner Einschätzung doch immerhin Lichtjahre von dem entfernt, worüber vor einigen Jahren noch gesprochen worden sei.