"Aus meiner Sicht hat mein Vater wegen seiner Arbeit Selbstmord begangen. Derjenige, der ihm hätte helfen können, seine Arbeit zu behalten und den entscheidenden Beschluss getroffen hat, ihn zu entlassen, ist der Bürgermeister." Mit diesen Worten begründete Nathan Duponcheel am Montag im Gerichtssaal nach Aussagen von Prozessbeobachtern seine Tat.
Zur Erinnerung: Alfred Gadenne, 71-jähriger Bürgermeister von Mouscron und zwischen 2009 und 2014 für die CDH Abgeordneter im wallonischen Parlament, wird am Abend des 11. Septembers 2017 mit durchschnittener Kehle leblos auf einem Friedhof unweit seines Hauses gefunden. Zuvor hatte ein anonymer Anrufer die Polizei darüber benachrichtigt.
Bei dem Anrufer, so stellte es sich bald heraus, handelte es sich um den damals 18-jährigen Nathan Duponcheel. Dieser gab auch bald zu, den Mord begangen zu haben. Er habe es nicht verkraftet, dass sich sein Vater angeblich wegen des Bürgermeisters umgebracht hätte.
Zweieinhalb Jahre vor der Tat hatte sich der Vater von Nathan in seinem Haus erhängt. Die Stadt Mouscron, bei der er beschäftigt war, hatte ihn zuvor entlassen. Nathan war der erste, der seinen Vater tot aufgefunden hatte.
Dass er den Mord am Bürgermeister geplant habe, um seinen Vater zu rächen, hatte Nathan bislang immer verneint. Bis Montag im Gerichtssaal. Für den Anwalt der Hinterbliebenen von Alfred Gadenne, für Jean-Philippe Mayence, ist dieses Geständnis nicht unbedingt ein Anlass zur Freude. Vielmehr äußerte er sich fast schon verärgert darüber, dass Nathan dieses Geständnis so spät ablegt. "Es ist ein bekanntes Symptom, dass ein Angeklagter letztlich zugibt, eine Tat geplant zu haben, aber vorher die ganze Zeit während der Ermittlungen und der Rekonstruierung des Tathergangs genau das Gegenteil gesagt hat", sagte er gegenüber der RTBF.
Der Anwalt will dahinter eine Taktik vermuten. Denn, wie er sagte: "Das hat zur Folge, dass wir bestimmte Fragen bislang nicht gestellt haben. Zum Beispiel: Wann genau ist die Idee zu einer Straftat entstanden? Wann genau hat er die Entscheidung zur Tat getroffen, etc. Heute sagt er: Ich gebe zu, vorsätzlich gehandelt zu haben. Ich gebe den Mord und meine Absicht, zu morden, zu. Aber die Anklage, die bislang nur auf schuldig plädiert hatte, kann jetzt als Anklage nichts mehr hinzufügen. Weil alles gesagt wurde."
Der Anwalt von Nathan Duponcheel, Jean-Philippe Rivière, versuchte hingegen diese Zweifel an einer bewussten Taktik zu zerstreuen. Davon will er nichts wissen. Vielmehr stellte er in Aussicht, dass Nathan zu allem Stellung nehmen werde, was die Hinterbliebenen von Alfred Gadenne wissen wollen. Wörtlich sagte Rivière: "Es ist doch klar, dass wenn man einen jungen Mann sieht, der 18,5 Jahre alt ist, der sich immer und überall gut verhalten hat, der nie aufgefallen ist, dass wenn dieser junge Mann eine so schreckliche Tat verübt an einer Person, die so tadellos war wie Monsieur Gadenne, dass es dann viele Fragen gibt, auf die der Prozess Antworten liefern muss. Die Familie des Opfers hat ein Recht darauf. Und Nathan hat vor, diese Antworten zu geben."
Am Montag, Dienstag und Mittwoch wurden und werden Zeugen zu dem Mord gehört. Wann der Angeklagte dann Zeit haben wird, auf die neuen Fragen zu antworten, die sich durch sein Geständnis von Montag ergeben, ist zurzeit noch nicht klar.
Kay Wagner