Dass die Wallonie alleine nicht überlebensfähig ist, steht außer Frage. Die Wallonie mit Brüssel aber sehr wohl, sprich Wallonisch Brabant in Verbindung mit der in Brüssel erwirtschafteten Einkommenssteuer.
Dass ein solcher Rumpfstaat Wallonie/Brüssel damit über weniger Geldmittel verfügen würde als jetzt, steht auch außer Frage. Aber die befürchtete Verarmung würde auch die geforderte Rechtfertigungspflicht mit sich bringen, die "responsabilisering", wie es im Verhandlungsjargon heißt.
Denn klar ist doch wohl, dass diejenigen der Flamen, die den Ton angeben, dabei nicht locker lassen werden, dann folgen mit Sicherheit die nächsten Runden, vielleicht schon 2015. Dann wird der Süden einer Splitsing, einer Aufteilung von Sozialversicherung und Steueraufkommen nicht mehr entgehen können.
Die Konsequenz könnte folgende sein: Eine weitestgehende Konföderation - das erklärte Ziel der flämischen Falken - käme wohl auf das gleiche raus wie eine Zweistaatlichkeit nach der Trennung. So werden wohl die frankophonen Falken denken und in diesen Tagen auch debattieren.
Und sie haben durchaus Argumente: Denn das Finanzierungsgesetz novellieren, grundlegend, ohne dass dabei jemand verarmt, ist natürlich Unsinn. Als Verhandlungsdurchbruch wurde dieser Unsinn ja auch nur von den Führern der
Verhandlungen gefeiert.
Durchaus vorstellbar ist, dass unter den Frankphonen erbittert debattiert wird: "Wollt ihr unter flämischer Bevormundung verarmen, oder wollt ihr verarmen, selbst bestimmt, ohne ständig Vorhaltungen zu hören? Und dies ist dann keine ökonomische Frage mehr, sondern eine kulturelle, frei nach dem Spruch, den Klaus Wowereit für Berlin geprägt hatte: "Arm aber sexy".
Flandern hat allen Grund nervös zu sein: Eine Republik Flandern würde in der Europäischen Union Netto-Zahler sein. Das hat sich inzwischen auch bei den Falken herumgesprochen, und diese Nettozahlungen Richtung Osteuropa oder Südeuropa würden wohl kaum geringer sein, als die bisherigen Transfers zur Wallonie hin.
Noch einmal: Es ist weniger eine ökonomische
Frage, als eine kulturelle: Guido Fonteyn, der flämische Wallonienkenner, glaubt für die Achse Wallonie-Brüssel als Ziel bereits eine "Belgique française" ausgemacht zu haben. Eine Implosion des Landes würden viele französischsprachige Bürger
inzwischen nicht mehr als ein Riesenproblem empfinden, und sie sagen dies auch laut, wie jüngst in einem Tagesgespräch bei dem durchaus volksnahen Sender "Vivacité".
Eine Meinungsumfrage im Auftrag von RTL/TVI kommt sogar auf 36 Prozent bei weniger als 50 die sich dagegen aussprechen, sich auf eine Unabhängigkeit vorzubereiten. Wetten, dass sich die frankophone Verhandlungsposition verhärten wird? Nicht zuletzt mit Blick auf die Festigung der Achse Wallonie-Brüssel?
Hilfreich dabei wäre im internationalen Recht zweifellos eine wie auch immer gelagerte Verbindung. Und diese Verbindung ist der bestehende Wahlbezirk BHV. Den es ja noch gibt. Das wird den Preis für einen Verzicht auf diese Trumpfkarte in die Höhe treiben. Philippe Moureaux hat es bereits gesagt, ausdrücklich und mit der ihm eigenen Schärfe: Verhandelt werde jetzt neu, nichts liege auf dem Tisch. Die Lage ist explosiver denn je.
bild:belga
eine Republik Flandern in der Europäischen Union ?
ob Flandern einfach mal so in der EU an die Stelle Belgiens treten kann, ist keineswegs klar - den gleichen Anspruch hätte sicher auch die Wallonie.
Es ist sicher spannend, wenn ein neuer Staat Flandern überhaupt erst einmal Beitrittsverhandlungen mit der EU führen muss