Schon bald werden einige, zum Teil lang gediente Parteipräsidenten "Auf Wiedersehen" sagen. Beginnen wir mal mit einem regelrechten Urgestein: Olivier Maingain war schon Vorsitzender von Défi, als es noch keinen Euro gab. 1995 übernahm Maingain das Ruder bei der damaligen FDF. Das war damals noch eine reine "Sprachenpartei", wie man sagt: Kerngeschäft der FDF waren die Rechte der Frankophonen in Brüssel und im Brüsseler Rand.
Olivier Maingain (Défi)
Maingain ist bekannt für seine spitze Zunge, seine knallharten Argumentationen, die er problemlos auch ohne Papier abschießen kann. Wohl auch seine rhetorischen Fähigkeiten machten ihn, wie auch La Libre Belgique schreibt, zu einem wahren Hyperpräsidenten: Im Grunde ist Maingain nicht nur Präsident von Défi, er ist Défi. Entsprechend groß wird die Lücke sein, die er hinterlassen wird. In "einigen Monaten" jedenfalls soll Schluss sein. Wer ihm nachfolgen wird, das ist noch völlig offen. Die Fußstapfen sind in jedem Fall sehr groß.
Charles Michel (MR)
Maingain und er waren mal "Parteifreunde" - die Rede ist von Charles Michel, dem Vorsitzenden der MR, zu der ja auch mal die FDF gehört hat. Michel hat mit gerade einmal 43 Jahren eine Bombenkarriere hingelegt. Er war der jüngste Premier in der Geschichte des Landes. Seit 2011 war er - mal offiziell, mal im Schatten - der Vorsitzende der frankophonen Liberalen.
Beide Ämter wird Michel am 1. Dezember abgeben. Dann wird er ja der neue EU-Ratsvorsitzende. Auch hier ist offen, wer ihm nachfolgen könnte. Der bisherige Favorit Willy Borsus wird wohl in Namür bleiben. Dann dürfte sich wohl der derzeitige Föderalminister Denis Ducarme in der Pole Position befinden.
Paul Magnette (PS)
Bei den frankophonen Sozialisten ist das Drehbuch eigentlich schon lange geschrieben: Paul Magnette gilt seit geraumer Zeit als Kronprinz. Nur wollte der Herrscher über die Roten partout nicht weichen. Jetzt scheint Elio Di Rupo aber nach 20 Jahren doch einen Schlussstrich unter dieses Kapitel ziehen zu wollen: Di Rupo übernimmt das Amt des wallonischen Ministerpräsidenten und räumt bei dieser Gelegenheit seinen Platz an der Spitze der Partei. Mitte Oktober soll schon sein Nachfolger gewählt werden. Magnette gilt als unumstrittener Favorit.
John Crombez (SP.A)
Bei den roten Kollegen aus dem Norden des Landes ergibt sich ein absolut gegenteiliges Bild. Der bisherige SP.A-Chef John Crombez gilt als ausgezählt. Seine Partei hat bei der Wahl eine krachende Niederlage einstecken müssen. Er selbst hat zwar bislang noch nichts von einem möglichen Rücktritt verlauten lassen. Und doch wird schon fleißig nach einem möglichen Nachfolger gesucht. Da gibt es nur ein Problem: Bislang haben alle wirklich bekannten Gesichter dankend abgelehnt.
Gwendolyn Rutten (OpenVLD)
Auch zwei weitere flämische Parteivorsitzende gelten als "mindestens" angeschlagen. Das gilt zunächst für die OpenVLD-Chefin Gwendolyn Rutten. Auch die flämischen Liberalen haben ein enttäuschendes Wahlergebnis zu verdauen. Schon am Tag nach der Wahl schoss der umtriebige Parteikollege Vincent Van Quickenborne erste Giftpfeile ab. Rutten zeigte sich aber standhaft. Nicht auszuschließen sei aber, dass sie sich einen Posten in der flämischen Regierung sichert und so einen eleganten Abgang hinbekommt.
Meyrem Almaci (Groen)
Die grüne Kollegin Meyrem Almaci könnte ebenfalls zum Opfer der letzten Wahlen werden. Groen hat zwar leicht zugelegt, die tollen Umfragewerte hat man aber in den Wochen vor der Wahl buchstäblich verspielt. Almaci scheint zwar wieder kandidieren zu wollen, es gibt aber mit Björn Rzoska einen ernstzunehmenden, weil durchaus prominenten und erfahrenen Gegenkandidaten. Nicht vergessen: Bei den Grünen können Flügelkämpfe immer mal wieder selbstzerstörerische Züge annehmen. Stichtag ist hier der 19. Oktober.
Wouter Beke (CD&V)
Der bisherige CD&V-Chef Wouter Beke will seinerseits freiwillig gehen. Auch er zieht seine Konsequenzen aus dem katastrophalen Wahlergebnis seiner Partei. Wer sein Nachfolger werden soll, ist allerdings fast so offen wie bei den flämischen Sozialisten: Die Christdemokraten leiden deutlich unter Blutarmut. Koen Geens oder die langjährige Ministerin Hilde Crevits wollen offensichtlich nicht den Vorsitz übernehmen.
De Wever (N-VA)
Es mag paradox sein, aber die Partei, die die schlimmste Niederlage einstecken musste, bleibt offensichtlich von innerparteilichen Spannungen verschont: Die N-VA ist zwar stärkste Partei geblieben, hat aber enorm Federn lassen müssen. Am Stuhl von Bart De Wever wird aber anscheinend nicht gerüttelt.
De Wever hat zwar schon häufiger gesagt, dass er nicht ewig N-VA-Chef bleiben will, im Moment will er aber offensichtlich noch nicht "Goodbye" sagen.
Roger Pint