"Sie haben nichts kapiert!", wettert am Mittwoch die Zeitung La Libre Belgique. "Sie", damit sind gewisse Politiker gemeint, die trotz aller Skandale der jüngsten Zeit, dann doch offensichtlich glauben, dass man immer noch machen kann, was man will. "Sie", damit sind im vorliegenden Fall ganz konkret die Verantwortlichen der Interkommunalen ISPPC gemeint. Das ISPPC verwaltet die Krankenhausinfrastruktur im Raum Charleroi.
Diese Geschichte beginnt im Juni dieses Jahres. Genau gesagt dreht sich alles um die Beschlüsse des ISPPC-Verwaltungsrates vom 12. Juni. Dabei gab es gleich eine ganze Reihe von umstrittenen Entscheidungen. Und, soviel vorweg: Das Ganze war so haarsträubend, dass die Aufsichtsministerin Valérie De Bue sich dazu gezwungen sah, einzuschreiten: Die Entscheidungen wurden annulliert. Ihrer Ansicht nach seien die nämlich nicht ausreichend begründet gewesen, sagte die MR-Polikerin in der RTBF.
Das muss man jetzt mal aufdröseln. Erster Punkt: Die Bezüge der vier Direktionsratsmitglieder wurden erhöht - deutlich erhöht. Im Falle des Generaldirektors ist das besonders krass: Wie die Zeitung Le Soir vorrechnet, kann man behaupten, dass sein Gehalt "mal eben" um 40 Prozent gestiegen ist, auf fast 270.000 Euro brutto pro Jahr. Bei den übrigen Direktoren fällt das Plus vielleicht nicht ganz so üppig aus, ist aber immer noch, sagen wir, "höchst angenehm".
Begründet wird die Entscheidung ausgerechnet mit dem entsprechenden wallonischen Dekret. Darin ist eine Obergrenze festgehalten: In einer Interkommunalen dürfen die Bezüge eben diesen Höchstbetrag nicht übersteigen. "Und man habe eben die Gehälter diesem Referenzwert angeglichen", hieß es vom ISPPC.
"Moment mal!", sagt jetzt aber Ministerin Valérie De Bue. Es ist nicht, weil es diese Obergrenze gibt, dass jeder jetzt auch diese 266.749 Euro jährlich bekommen muss", sagt die MR-Politikerin. Eine Obergrenze ist nur eine Obergrenze, keine legitime Gehaltsstufe. Und jede Erhöhung der Bezüge müsse dafür immer noch ausreichend rechtfertigt werden. Ganz konkret: Wenn man die Bezüge anheben will, dann muss es dafür nachvollziehbare Gründe geben, sei es wirtschaftlicher, sei es strategischer Natur.
Die zweite dieser "umstrittenen" Entscheidungen war für die Ministerin dann besonders heikel. Eben bei besagter Verwaltungsratssitzung vom 12. Juni wurde ebenfalls die Schaffung eines fünften Postens innerhalb des Direktionsrates beschlossen. Ein "Conseiller général", nennen wir es mal, "Generalberater".
Der Posten wurde auch schon vergeben: Erster "Generalberater" des ISPPC wurde ein gewisser Thomas Salden. Der ist allerdings nicht irgendwer: Thomas Salden ist der Halb-Bruder des ehemaligen MR-Vorsitzenden Olivier Chastel, der inzwischen im EU-Parlament sitzt. Salden galt als der "starke Mann" des ISPPC. Und laut Medienberichten liegt der Verdacht nahe, dass ihm der neue Posten des Generalberaters quasi auf den Leib geschneidert wurde. Zum Beispiel war es laut Le Soir so, dass ausgerechnet für diesen Posten kein Uni-Diplom erforderlich war. Für die anderen Mitglieder des Direktionsrates gibt es demgegenüber dieses Kriterium. Und wegen dieser Ungleichbehandlung bestehe die Gefahr, dass man sich juristisch angreifbar mache. Zwar wurde die Stelle ausgeschrieben, es gab auch drei Mitbewerber. Die wurden aber aus anscheinend unersichtlichen Gründen abgelehnt.
Ziemlich viel auf einmal also. So viel, dass sich die MR-Ministerin offensichtlich dazu gezwungen sah, den eigenen Parteifreund an den Pranger zu stellen, wie es Le Soir formuliert. Valérie De Bue stellt aber zunächst nur die Schaffung des zusätzlichen Postens infrage. Diese Entscheidung sei nicht ausreichend begründet gewesen.
In beiden Fällen macht die Ministerin also formal zunächst nur geltend, dass der Verwaltungsrat seine Entscheidungen nicht mit Argumenten unterfüttert. Hier müsse das ISPPC in jedem Fall nachbessern, also vernünftige Rechtfertigungen nachreichen. Insgesamt kann Valérie De Bue aber nur feststellen, dass mindestens der Geist des Dekrets missachtet wurde, das doch eigentlich die korrekte Amtsführung regeln sollte. Um es mit den Worten der Zeitung La Libre Belgique zu sagen: "Es sieht so aus, als habe die Ministerin einen neuen Skandal in Charleroi im Keim erstickt".
Roger Pint