Zurzeit sind sie so gefährlich wie nie: Denn je größer die Raupen des Eichenprozessionsspinners werden, desto mehr Haare tragen sie auch. Ab dem dritten Raupenstadion - der Eichenprozessionsspinner durchläuft nach dem Schlüpfen aus den Eiern im Mai sechs solcher Raupenstadien - bilden sich die kleinen Brennhaare. Die enthalten Nesselgift. Sie lösen sich von der Raupe - wie Haare beim Menschen auch - manchmal von selbst. Und fliegen dann einfach in der Luft herum. Weite Strecken können diese Brennhaare zurücklegen. Wenn sie auf nackte Haut treffen, kann das unangenehme Folgen haben.
Hautreizungen und Jucken sind die häufigsten Reaktionen. "Wenn so etwas auftritt", sagt Lucien Bodson, Notfallarzt an der Uni-Klinik in Lüttich, "dann ist es das Beste, die Haut mit Seifenwasser zu waschen. Manchmal muss man übrigens auch Klebepapier verwenden, um die kleinen Brennhaare von der Haut zu entfernen."
Hautreizungen, Müdigkeit, Fieber
Für den gesunden, erwachsenen Menschen beschränkt sich die Belästigung durch die Brennhaare meist auf solche Hautreizungen, Müdigkeit und manchmal auch Fieber. Menschen, die aber sowieso schon unter Allergien oder Atemwegkrankheiten leiden, auch Kinder und ältere, schwächere Menschen, sollten dagegen bei Kontakt mit Brennhaaren unbedingt den Arzt aufsuchen oder in die Notaufnahme eines Krankenhauses gehen. Denn die Brennhaaren können bei ihnen nämlich schlimme Folgen haben. "Ein Asthma-Anfall, der durch Brennhaare ausgelöst wird, kann tödlich enden", sagt Notarzt Bodson.
Und auch mit Brennhaaren in den Augen ist nicht zu spaßen. In diesem Fall entzünden sich die Augen leicht. Es ist dann unbedingt nötig, einen Augenarzt aufzusuchen, so Bodson. "Denn durch die Brennhaare kann man sogar blind werden."
Seifenwasser
Das hört sich alles ziemlich dramatisch an. Doch ist das wirklich so? Sollten die Haare einer kleinen Raupe tatsächlich so gefährlich sein für den Menschen? Philippe Wegnez bestätigt diesen Eindruck. Zusammen mit seinem Sohn entfernt er auf professionelle Weise Nester von Eichenprozessionsspinner-Raupen.
"Als Schutz vor den Brennhaaren ziehen wir einen Schutzanzug, Vollmaske und Handschuhe an", erklärt er. "Und wenn die Person dennoch mit den Haaren in Kontakt kommt, dann spritzen wir sie mit Seifenwasser ab, damit sie beim Ausziehen des Anzugs nicht mit den Brennhaaren in Berührung kommt." Auch ältere, bereits verlassene Nester der Raupen können immer noch Brennhaare enthalten, die gefährlich wirken.
Ursprünglich aus Süd- und Mitteleuropa
Der Eichenprozessionsspinner ist also tatsächlich kein Insekt, dass in Raupenform Lust auf eine Begegnung macht. Ursprünglich ist er in Süd- und Mitteleuropa zu Hause. Doch immer öfter taucht er auch in Belgien auf.
"Hier im Norden der Wallonie", sagt Philippe Wegnez, der gerade ein Nest im Wald von Dahlem in der Provinz Lüttich entfernt, "kommt der Eichenprozessionsspinner aus den Niederlanden. Im Süden der Wallonie kommt er vor allem aus dem Elsass und aus Luxemburg."
Werden große Kolonien von Nestern des Eichenprozessionsspinners entdeckt, wird manchmal die Umgebung rund um die Nester zum Schutz der Menschen weiträumig abgesperrt. Im Wald bei Dahlem ist das noch nicht nötig. Aber die örtliche Waldaufsicht hat ein Auge darauf. Denn noch bis September entwickeln sich die Falter. Bis dahin geht von den Raupen weiterhin die größte Gefahr aus.
Kay Wagner