Knapp ein Monat ist es her, da wurden die belgischen und eigentlich auch alle anderen europäischen Landwirte mit der schlechten Nachricht konfrontiert: Die EU-Kommission hat sich mit den vier südamerikansichen Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay auf ein Freihandelsabkommen geeinigt. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bezeichnete das damals als "historisch" und klopfte sich zufrieden auf die Schulter.
Jahrelang hatten die EU und die sogenannten Mercosur-Staaten um das Freihandelsabkommen gerungen. Es sieht Einfuhrerleichterungen für verschiedene Produktgruppen vor. Die belgischen Landwirte ärgern sich vor allem über die Möglichkeit, Rindfleisch und andere Agrarprodukte künftig zu günstigen Bedingungen von Südamerika nach Europa zu bringen.
Marianne Streel, Präsidentin der wallonischen Landwirtschaftsföderation Fwa, erklärt: "Das Problem besteht nicht nur darin, dass man landwirtschaftliche Produkte, die wir bei uns selbst produzieren, einmal quer über den Atlantik schickt. Bei uns werden die Produkte auch unter anderen Umweltschutz-, Gesundheits- und Sozialbedingungen produziert. Man kann den Produktionsprozess bei uns besser zurückverfolgen. Man importiert damit eine Landwirtschaft, die wir bei uns nicht wollen. Damit werden die Praktiken der europäischen Landwirte nicht respektiert."
Gleicher Ton bei Hugues Falays, Sprecher des Verbands der wallonischen Züchter und Landwirte Fugea. "Wir kritisieren das Abkommen, weil vor allem multinationale Unternehmen von ihm profitieren werden. Der große Verlierer wird die Landwirtschaft sein. Außerdem steht das Abkommen in klarem Widerspruch zu dem, was die europäische Bevölkerung will", sagt er.
Die Kritik der Landwirte an dem Freihandelsabkommen war am ersten Tag der Messe nicht zu übersehen. Schon am Eingang waren Schilder und Transparente zu sehen, die in deutlichen Worten die Ablehnung des Abkommens fordern.
Dass die Landwirte ihren Unmut über das Abkommen auf der Messe möglicherweise auch durch Randale kundtun werden, daran glaubt die Managerin der Messe, Natasha Pera nicht. Sie ist sich sicher: "Der Zorn der Landwirte wird sich nicht auf der Messe äußern. Vielmehr ist die Messe eine Möglichkeit, verschiedene Menschen zu treffen und mit ihnen zu diskutieren. Wir hoffen deshalb, dass die Landwirte die Chance der Messe nutzen, Vertreter von Politik und Institutionen zu treffen."
Genau das passierte auch am ersten Tag. Am Stand der wallonischen Landwirtschaftsföderation lag eine Petition gegen das Freihandelsabkommen aus. Mehrere wallonische Politiker, unter anderem Ministerpräsident Willy Borsus (MR) sowie die Minister Jeholet (MR), Crucke (MR), De Bue (MR) und Collin (CDH) sowie CDH-Präsident Maxime Prévot unterzeichneten die Petition. Mitglieder von Ecolo verteilten Taschen und Aufkleber mit der Aufforderung, das Abkommen zu stoppen.
Das kann tatsächlich noch geschehen. Unter anderem das EU-Parlament könnte noch sein Veto einlegen. Benoît Lutgen, Vorgänger von Prévot als CDH-Präsident und neu gewählter Europaabgeordneter, zeigt sich von den Argumenten der Landwirte überzeugt. "Zum jetzigen Zeitpunkt und aufgrund der Informationen, die ich zurzeit habe, kann ich mich nur gegen das Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten stellen", sagte Lutgen.
Andere Sorgen der Landwirte auf dieser Messe sind die hohen Preise für landwirtschaftliche Maschinen, der fehlende Nachwuchs, die andauernde Trockenheit und allgemein eine weitgehende Entfremdung zwischen ihnen als Produzenten und dem normalen Verbraucher.
Und speziell die Schweinezüchter sind erzürnt, weil sie ihre Tiere diesmal nicht auf der Messe präsentieren dürfen. Die immer noch im Süden der Wallonie grassierende Schweinepest hat die Messe zu diesem Schritt bewogen. Für Managerin Natasha Pera ist das allerdings kein Problem. Sie bestätigt: "Dieses Jahr werden wir keine lebenden Schweine auf der Messe haben. Das wird die Messe kaum beeinflussen, denn Schweine stehen bei uns nicht unbedingt im Mittelpunkt."
Kay Wagner