In den Inlandsmedien gibt es nur noch ein Thema: die Hitzewelle. Denn es ist tatsächlich nicht irgendeine Hitzewelle. Im Moment purzeln die Rekorde quasi wie Domino-Steine: Am Mittwoch etwa wurden neue, nie gesehene Höchstwerte gemessen. Erst hieß es, Kleine Brogel in der Provinz Limburg sei der heißeste Ort in Belgien gewesen mit 39,9 Grad. Aber nein, es war noch heißer. Und zwar in Angleur bei Lüttich. Dort wurden sogar 40,2 Grad gemessen.
"Aber was kümmert mich mein Rekord von gestern", scheint sich das Wetter zu sagen. Am Donnerstag wurden schon wieder neue historische Höchstwerte gemessen. Und jetzt liegt Kleine Brogel wieder vorn: Am Donnerstagnachmittag stieg das Thermometer dort auf unglaubliche 40,6 Grad.
Die Referenzmessstation bleibt aber Uccle. Und auch dort ist am Donnerstag ein Rekord geknackt worden: Der Allzeitrekord von 1947. Damals waren 36,6 Grad gemessen worden. Um 13:10 waren es am Donnerstag schon 36,8 Grad. Die definitiven Werte für den Donnerstag liegen noch nicht vor, aber der Rekord ist Geschichte.
Ungeahnte Temperaturen - und das im wahrsten Sinne des Wortes. Beim Königlichen Meteorologischen Institut hat man vor einigen Jahren die Richtlinien ändern müssen. Lange Zeit galten Werte von 40 Grad als schlichtweg unmöglich. In einem solchen Fall wurde davon ausgegangen, dass derjenige, der die Temperatur erfasst hatte, einen Fehler gemacht hatte. Der Wert wurde annulliert. So schilderte es der Meteorologe Fabian Deballe in der RTBF. "Wir haben also die theoretische Höchstgrenze nach oben korrigieren müssen", sagt der Meteorologe.
Schattenseiten
Es mag Sonnenanbeter geben, für die die Sonne gar nicht genug scheinen kann. Nur, wer Sonne sagt, der sagt auch Schatten. Viele Menschen, aber auch Natur und Technik leiden unter der Hitze. Viele haben sich richtiggehend verbarrikadiert.
In Alten- und Pflegeheimen etwa gilt fast schon Ausnahmezustand. Insgesamt wird im Moment besonders ein Auge auf Senioren geworfen. Das gilt sogar für die Föderalen Museen. In Brüssel sind einige Museen am Donnerstag und Freitag für über 65-Jährige kostenlos zugänglich. Das Motto: Wir wollen unser kulturelles Erbe mit Ihnen teilen, und jetzt auch unsere Klimaanlage.
Fauna und Flora werden auch arg gebeutelt. "Insbesondere die Bäume beginnen unter der anhaltenden Dürre zu leiden", warnt Simon Riguelle, Chef des wallonischen Krisenstabs und damit auch der Arbeitsgruppe, die in der Wallonie die Folgen der Hitzewelle und der Trockenheit im Auge behält. Und auch die Wasserstände der Bäche und Flüsse sind tief.
Wasserreserven
Die wichtigste Frage ist aber: Wie steht es um die Wasserreserven? Hauptaufgabe des Krisenstabs ist es, die Lage zu bewerten und entsprechende Empfehlungen an die politischen Verantwortlichen auszusprechen. "Noch gibt es keinen Grund zur Panik", sagt Simon Riguelle. De Wallonie sei reich an Wasserreserven. Allerdings sollten alle, ob nun Behörden oder Bürger, trotzdem weitsichtig agieren.
Im Augenblick werde man zwar noch keine Maßnahmen zur Rationierung ergreifen, wie das etwa in Flandern der Fall ist. Dennoch empfehle man einen "vernünftigen" Umgang mit Wasser. Heißt: Man sollte mindestens sorgsam mit Wasser umgehen, also vielleicht nicht gerade im Moment das Auto waschen. Wallonieweite Verbote wurden aber noch nicht ausgesprochen.
Die Technik gibt derweil zuweilen den Geist auf. Am Donnerstag sind wieder gleich mehrere Züge liegen geblieben. Auch die Küstentram hat am Nachmittag hitzebedingt ihren Betrieb einstellen müssen. In beiden Fällen waren Probleme mit der Oberleitung die Ursache.
"Normal ist das Ganze nicht", warnen indes Meteorologen. Der Klimawandel scheine sich schneller einzustellen, als befürchtet. "Nur zum Vergleich", sagt der RTBF-Wetterfrosch Nicolas-Xavier Ladouce, "in Spa ist es heute so heiß wie in Phoenix, Arizona und in Durbuy haben wir dieselben Temperaturen wie in Dubai."
Roger Pint