Der Befund des sogenannten Monitoring-Komitees ist unerbittlich: Bei unveränderter Politik wird sich das Haushaltsdefizit in diesem Jahr auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes belaufen. Aussagekräftiger ist diese Zahl: Belgien wird in diesem Jahr sieben Milliarden Euro an neuen Schulden machen. Das sind knapp vier Milliarden Euro mehr als mit der EU vereinbart.
Er sei schon ein bisschen geschockt angesichts dieser neuen Zahlen, sagte der amtierende Finanzminister Alexander De Croo in der VRT. Anderseits habe er eine solche Entwicklung schon vor sechs Monaten vorhergesagt.
Dass der Haushalt entgleisen würde, das war paradoxerweise vorhersehbar. Schuld ist zwar erstmal die Tatsache, dass das Wachstum niedriger ausfällt, als gedacht. Dass das Loch aber so groß geworden ist, das hat auch mit den Ereignissen von Dezember 2018 zu tun.
Damals stieg die N-VA aus der Koalition aus. Die Folge: Der Haushaltsplan 2019 wurde nie verabschiedet. Stattdessen arbeitet man mit den sogenannten "provisorischen Zwölfteln". Das ist der Haushaltsplan 2018, den man in zwölf Scheiben geschnitten hat.
Der Haushalt entsprach also von Anfang an nicht den Erfordernissen. Schlimmer noch: eigentlich wollte die Regierung Ende letzten Jahres noch Maßnahmen verabschieden, um gewisse, vorhersehbare Haushaltsentwicklungen auszugleichen. Auch das ging nach dem Sturz von Michel I nicht mehr.
Das sagt zumindest Alexander De Croo. Also, er übernehme die politische Verantwortung für die Zeit bis Ende 2018, aber nicht danach. Indirekt gibt er damit auch der N-VA die Schuld für die Haushaltsentgleisung.
"Kappes", erwidert aber sinngemäß der ehemalige N-VA-Finanzminister Johan Van Overtveldt. Besagte haushaltspolitische Korrekturen standen im Jobdeal. Die verbleibenden Regierungsparteien hätten dieses Maßnahmenpaket nur dem Parlament vorlegen müssen. Dann hätte die N-VA dafür ihre Zustimmung gegeben. Marrakesch hin oder her. Beide Sichtweisen sind wohl nicht ganz falsch.
"Aber, was sehen wir hier?", wettert aber gleich schon die linke Opposition. Im Grunde machen die Mitte-Rechtsparteien da weiter, wo sie vor der Wahl aufgehört haben: Sie streiten sich schon wieder, sagte der SP.A-Vorsitzende John Crombez. Vier Jahre haben diese Leute zusammen Haushaltspläne gemacht, die uns doch erst in diese Lage gebracht haben.
Mindestens in einem Punkt hat Crombez definitiv recht: Das fühlt sich an wie ein Déjà-Vu. Die Kesselflicker fetzen sich wieder. Frage ist aber natürlich: Wie kann man diese Entwicklung stoppen? Nun, da gibt es eigentlich nur eine Lösung, sagt Finanzminister De Croo: "Wir brauchen schnellstens eine handlungsfähige Regierung."
Nun hätte man vielleicht noch gedacht, dass diese schlechten Haushaltszahlen für einen Elektroschock sorgen könnten. Nun: Sollte es den gegeben haben, gesehen hat man ihn nicht.
Roger Pint
Was hier beschrieben wird, duerfte es eigentlich nicht geben. Einer sogenannten geschaeftsfuehrenden Regierung sind die Haende gebunden. Das kann man nur als staatlich organisierte Verantwortungslosigkeit bezeichnen auf Kosten der Bevoelkerung. Denn jetzt steigen die Staatsschulden wieder. Zum Glueck sind die Zinsen niedrig. Das macht die Angelegenheit etwas ertraeglich.