Wenn Paul Van Hoeydonck auf den Mond schaut, dann weiß er, dass er der einzige Mensch ist, dessen Kunst es bis dort hinauf geschafft hat. Das geschah am 2. August 1971 im Rahmen der Apollo-15-Mission. Der Astronaut David Scott legte die nur 8,5 cm große Figur im Mondsand ab. Doch was wie ein Traum für jeden Künstler klingt, wird zu einem Konflikt, der jahrzehntelang dauern wird.
Dabei fing alles so schön an. Die Idee zu der Mond-Skulptur hatte Van Hoeydoncks New Yorker Galeristin, die auch den Kontakt zur NASA herstellte. Bei der Anfertigung der Aluminium-Figur musste Van Hoeydonck verschiedene Vorgaben beachten, wie der Künstler in einem RTBF-Interview zum 40. Geburtstag seiner Mond-Statuette erklärt:
"Das Material musste sowohl enorme Hitze als auch extreme Kälte aushalten können. Außerdem sollte die Figur nicht wie ein bestimmter Menschentyp aussehen, also weder schwarz noch weiß, weder Mann noch Frau."
Van Hoeydonck wollte ein Bild stellvertretend für die gesamte Menschheit schaffen. Das war ihm auch gelungen, findet er selbst: "Ich bin zufrieden mit meinem Werk, ich hätte auch einen Astronauten darstellen können. Aber so ist es ein Geheimnis, mit dem wir uns aktuell auseinandersetzen können."
Doch dann nahm die ganze Geschichte eine ungeahnte Wende: David Scott legte neben der Figur auf dem Mond eine Plakette ab mit den Namen aller bis dahin ums Leben gekommenen Raumfahrer - Amerikaner und Russen, 14 insgesamt. Ein starkes Zeichen, so mitten im Kalten Krieg.
Bald hieß die Figur Van Hoeydoncks nur noch "Fallen Astronaut" - gefallener Astronaut. Sehr zum Ärger des Künstlers, der diesen Titel nie gewählt hätte und die optimistische Aussage seines Kunstwerkes dadurch verfremdet sah. Was noch schlimmer wog: Die Nasa unterschlug den Namen des Künstlers ganz bewusst und wollte Van Hoeydonck selbst zum Schweigen verpflichten, angeblich um eine kommerzielle Ausbeute der Aktion zu verhindern.
Kein Jahr später brach Van Hoeydonck das Schweigen, Auslöser war der Streit um die Herstellung einer Replik des Originals. Van Hoeydonck griff zu einer Provokation: Seine Galerie wollte selbst 950 Nachbildungen in den Handel bringen - für stolze 750 Dollar das Stück. Das hat ihm allerdings keinen Erfolg bereitet. Weder in harter Währung noch an PR. Die Kunstwelt mied ihn, seine New Yorker Galerie ging pleite.
Späte Genugtuung: Im 50. Jahr der Mondlandung bietet eine Düsseldorfer Galerie das silberne Mondmänchen Van Hoeydoncks zum kaufen an - genau 1971 Stück zur Erinnerung an den wahren "man in space", der seit 1971 auf dem Mond ruht.
Paul Van Hoeydonck ist mittlerweile 93 Jahre alt und lebt in Belgien. Ob ihn eine Reise auf den Mond reizen würde? Nein danke, davor habe er Angst, antwortete er auf diese Frage in dem RTBF-Interview 2011. Um nicht ganz ohne Stolz anzufügen: Aber wenn er den Mond anschaue, dann wisse er: Er habe ein Kunstwerk dort oben....
spiegel/rtbf/vrt/sh