Zum einen wurde ein Mitschnitt der Unterredung zwischen Kardinal Danneels, dem zurückgetretenen Bischof Vangeluwhe und seinem früheren Missbrauchsopfer von den beiden einflussreichen Zeitungen "De Standaard" und "Het Nieuwsblad" wiedergegeben - zum andern überraschte die Kirchenführung jetzt mit der Ankündigung, dass die sogenannte "Adriaenssens-Kommission" nun doch eine Neuauflage erfahre.
Erinnern Sie sich an das Spaghetti-Urteil? Ein Ermittlungsrichter zeigt Mitgefühl mit geschändeten Mädchen. Daraufhin werden ihm die Ermittlungen entzogen. Einen einmonatigen Gehaltsentzug hätte er verdient gehabt, der Untersuchungsrichter Connerotte, nach dieser beruflichen Verfehlung, mit der er die Justiz in einen Strudel stürzte, der größer war als der, in dem sie sich 1996 bereits befand.
Wörtlich steht in der Strafprozessordnung geschrieben, dass die Annahme einer Einladung zum Essen durch Prozessbeteiligte die Ungültigkeit der Ermittlungen nach sich zieht. Schwarz auf weiß. Frau Liekendael, die Generalprokuratorin des Kassationshofes hatte auf verlorenem Posten gestanden, dies den Menschen zu erklären, aber, zumindest sie TAT es.
Und jetzt: die Justiz fällt mit Mann und Maus ein, beschlagnahmt Akten, im Rahmen der Aktion "Kelch", und wird dann zurückgepfiffen von ihresgleichen. Und keine Frau Liekendael ist da, um es zu erklären.
Schlimmer: keiner darf es erklären, von Rechts wegen, außer dem Untersuchungsrichter, und der tat und tut es nicht. Anders als im Fall Connerotte ist er dabei im Recht, laut Strafprozessordnung. Aber: sah der Mann denn nicht, dass sein Schweigen schlimmer ist als das Spaghetti-Urteil vor dem Weißen Marsch? Damals GAB es zumindest eine Erklärung, erhielten die Menschen zumindest eine Erklärung, wenngleich die meisten sie nicht nachvollziehen konnten und daher unbefriedigt blieben oder erbost.
Bei der Operation "Kelch" gibt es - noch - keine. Weit wie Scheunentore ist der Weg geöffnet für den Verdacht auf Vertuschung. Ein doppelter Verdacht: dass das Gericht eine Vertuschung durch die Kirche vertusche. Das ist der Gau, und trotzdem entspricht er der Strafprozessordnung. Die Menschen verbleiben ratlos, und, je nach Einstellung, voreingenommen oder besorgt.
Die sogenannte Adriaenssens-Kommission wird unterdessen neu aufgelegt, und damit entsteht ein neuer kollateraler Schaden: ein Teil der Opfer will anonyme Aufarbeitung durch Schuldeingeständnis und - gegebenenfalls - Vergebung, im Rahmen der besagten Kommission, ein anderer Teil will eine Aufarbeitung im hellen Licht, und zog zum Parlament.
Kardinal Daneels hat nach der Veröffentlichung des Gesprächs unterdessen noch mehr Ansehen verloren, oder, je nach Standpunkt, an Märtyrerstatur gewonnen. Wohl wahr: hätte sich eine Freidenkerlobby bemüht, der Kirche zu schaden, sie hätte es nicht besser machen können. Und hätte sich eine Gruppe Anarchisten bemüht, der Justiz zu schaden, auch nicht.
Bild: belga
Neue Entwicklungen in der Missbrauchsaffäre.
Bitte lesen Sie Artikel in Gazet van Antwerpen (gva.be) Van Gheluwe tegen slachtoffer : "Jij bent behekst" und - vor allem - in Humo.
mfg