"Ein großer Mensch, ein Brückenbauer, ein Versöhner." Mit Worten wie diesen haben am Donnerstag vor allem Menschen aus der Kirchenwelt das Leben und Wirken von Kardinal Danneels in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten gewürdigt. Nur selten mal klang leise Kritik an, dass Danneels vielleicht nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen hatte.
30 Jahre lang prägte Kardinal Godfried Danneels als Primas das Gesicht der belgischen katholischen Kirche. Bis hoch in den Vatikan reichte sein Einfluss. Einige sahen in ihm sogar einen möglichen Nachfolger von Papst Johannes Paul II., als dieser 2005 starb. Danneels wurde es bekanntlich nicht und 2010 reichte er dann aus Altersgründen seinen Rücktritt beim damaligen Papst Benedikt VXI ein. Wenige Monate später sah sich die katholische Kirche in Belgien mit Vorwürfen der Pädophilie konfrontiert. Die Taten geschahen während der Amtszeit von Danneels. Er soll davon gewusst, aber nichts dagegen getan haben.
So äußerte sich zum Beispiel der ehemalige Sprecher der belgischen Bischöfe, Abt Eric de Beukelaer, zunächst mit großer Anerkennung zur Person von Danneels. "Was ich - wie alle - von ihm in Erinnerung behalten werde, ist seine Funktion als Versöhner", sagte er gegenüber der RTBF. "Kardinal Danneels war ein Mann des Friedens. Wenn es Streit gab, ist er diesem nicht ausgewichen. Aber er hat immer versucht, Brücken zu bauen statt Mauern zu errichten."
Und dann schickt de Beukelaer doch noch ein paar Moll-Töne hinterher, wohl verpackt allerdings in viele Konjunktive. "Richtig ist aber sicher auch", sagte er, "dass sein Wunsch nach Versöhnung möglicherweise den Eindruck hat aufkommen lassen können, dass er zurückhaltend gewesen sein könnte in einer Situation, in der man wirklich hätte durchgreifen müssen."
Auch vom MR-Politiker und ehemaligen Leiter der philosophischen Fakultät der Freien Universität Brüssel, Hervé Hasquin, gab es zunächst große Anerkennung. Danneels sei ein realistischer Mensch gewesen. "Er war am Puls der Gesellschaft seiner Zeit und konnte dem in seinen Äußerungen Rechnung tragen." Er habe Kardinal Danneels nie etwas sagen hören, was im Widerspruch zur Kirchendoktrin gewesen wäre. "Aber die allzu heißen Eisen hat er vermieden", so Hasquin weiter.
Ein zu heißes Eisen war dann wohl auch der Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche in Belgien kurz nach Danneels Rücktritt erschütterte. Bei den meisten Würdigungen spielten am Donnerstag kurz nach dem Tod des Kardinals sein Schweigen zu diesem Skandal allerdings kaum eine Rolle.
Der aktuelle Erzbischof von Belgien, Jozef De Kesel, sprach Danneels große menschliche als auch intellektuelle Qualitäten zu. "Alle Dinge, die er getan hat, hat er mit großem Verantwortungsgefühl ausgeführt", sagte De Kesel.
Für Danneels Autobiographen, den Theologen und Kirchenhistoriker Jürgen Mettepenningen von der Katholischen Universität Löwen, war Danneels ein großer Kommunikator. "Er verstand es gut, seine Botschaften für Katholiken und Nicht-Katholiken in treffenden Bildern des täglichen Lebens darzustellen. Dadurch wurden die Botschaften verständlich."
Und dass mit dem Tod von Godfried Danneels eine kirchengeschichtliche Epoche für Belgien zu Ende gegangen ist, klingt in den Worten von Abt François Vanandruel an, der von Kardinal Danneels zum Priester geweiht worden war. "Kardinal Danneels ist für mich so ein bisschen das, was auch König Baudoin für mich war: Das ist der Kardinal, den ich schon immer kannte. Er war so ein bisschen wie ein Großvater für mich. Dass er jetzt gestorben ist, macht mich auf der einen Seite sehr traurig. Auf der anderen Seite wissen wir ja alle, dass unsere Großeltern uns irgendwann verlassen", sagte er.
Nach dem Tod von Kardinal Danneels soll die Bevölkerung die Möglichkeit erhalten, dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen. Der Leichnam des Kardinals wird nächste Woche drei Tage lang - von Montag bis Mittwoch - im Erzbischöflichen Palast in Mechelen aufgebahrt. Auch ein Kondolenzbuch wird ausgelegt.
Die Trauerfeier findet nächsten Freitag in der Sint-Rombouts-Kathedrale in Mechelen statt, um 11 Uhr.
Kay Wagner