Elio di Rupo hat also seine Arbeit im Vorfeld der eigentlichen Regierungsbildung wieder aufgenommen. Nach der kurzen Pause, für die König Albert mit seinen Konsultationen zum Ende der letzten Woche gesorgt hatte, schicken sich die Verhandlungsteilnehmer an, wieder unter Leitung des PS Parteichefs über Themen zu sprechen, die in den Koalitionsvertrag jener Regierung aufgenommen werden sollen, die in den kommenden Wochen zusammengestellt werden soll.
Themen von denen viele bislang völlig tabu waren. Auch wenn über die genauen Inhalte der Gespräche am Verhandlungstisch von Elio Di Rupo weiterhin Stillschweigen bewahrt wird, war hier in Brüssel zu vernehmen, dass jetzt immer deutlicher wird, wie schwierig es doch ist, die Standpunkte von PS und NV-A einander anzunähern und herausgearbeitete Konvergenzen zu vertiefen.
Das kommt oftmals dem Versuch, Feuer und Wasser miteinander zu versöhnen, nahe. Bei ihren Gesprächen am vergangenen Samstag ist es dann anscheinend auch zu heftigen Wortgefechten zwischen PS Spitzenpolitikerin Lorette Onkelinx und NV-A Parteichef de Wever über die Zukunft der Region Brüssel Hauptstadt gekommen.
Doch auch ein anderer Vorstoß der neuen flämischen Allianz, die anscheinend die Latte ihrer Forderungen immer höher legt, sorgte für neuen Zündstoff und eine gespannte Atmosphäre am Verhandlungstisch. Der Forderung nach einer Ausweitung der Steuerautonomie der Gliedstaaten durch eine Regionalisierung der Einkommenssteuer erteilten die französischsprachigen Parteien nämlich eine klare Absage - indiskutabel für PS, cdH und Ecolo so war zu hören.
Für sie wird damit nämlich die Solidarität im Land in Frage gestellt. Beispiel Nettoeinkommen: Selbst wenn Arbeitnehmer in Flandern oder der Wallonie das gleiche Bruttogehalt beziehen, könnte durch eine Regionalisierung der Einkommenssteuer ein Lohngefälle zwischen Nord und Süd entstehen, da abhängig vom Wohnort unterschiedliche Steuersätze Anwendung finden könnten. Selbst wenn es sich bei diesem flämischen Vorhaben nur um eine Teilregionalisierung der Einkommenssteuer handelt, sorgte dieser Vorstoß für dicke Luft.
Damit nicht genug: Auch die Flamen am Verhandlungstisch waren gestern ungehalten. Der Grund hier: Zu den Gesprächen über mehr Eigenverantwortung der Gliedstaaten im Finanzbereich - also ein Neuverhandeln des Finanzierungsgesetzes, das die Geldströme zwischen Bund und gliedstaatlicher Ebene steuert - war Elio Di Rupo selber gestern nicht erschienen. Und er war nicht der einzige Parteichef auf französischsprachiger Seite, der sich durch Finanzsachverständige vertreten ließ. Das aber ärgerte Bart de Wever und den CD&V Parteivorsitzenden Wouter Beke. Das Klima, in dem heute weiterverhandelt werden sollte, und zwar über den Zankapfel BHV und die Spaltung dieses Wahlbezirks, dürfte also nicht das allerbeste sein.
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