Bei den Siebenparteiengesprächen unter Präformateur Di Rupo kam es diese Woche zu einem erneuten Kurzschluss zwischen Frankophonen und Flamen. Der Anlass war die jüngste flämische Forderung, das Finanzierungsgesetz, das die Geldströme vom Föderalstaat zu den Teilstaaten regelt, gründlich zu reformieren.
Die französischsprachige Seite wollte davon nichts wissen und so ging Di Rupo zum König. Der behob die Panne, indem er dafür sorgte, dass ab morgen weiter verhandelt wird, doch das dicke Ende muss noch kommen. Das meint jedenfalls Rudi Klinkenberg im Kommentar der Woche.
Am vergangenen Dienstag sah es so aus, als würde Di Rupo definitiv das Handtuch werfen. Zu sehr hatten ihn die Flamen enttäuscht, indem sie nach der Einigung über neue und bedeutende Kompetenzen für die Regionen und Gemeinschaften jetzt auch noch eine grundlegende Diskussion über das Finanzierungsgesetz verlangen.
Genau das wollten die Frankophonen vermeiden. Nicht zu Unrecht fürchten sie, dass es ihnen dabei schlecht ergehen könnte, um es klar zu sagen, dass die wallonische Region und die Französische Gemeinschaft dadurch ärmer würden als bisher.
Di Rupo ging also zum König, doch zeigte dieser für die wallonischen Sorgen wenig Verständnis. Im Gegenteil, Albert II. bat den Präformateur, seinen Auftrag fortzusetzen und dabei auch - genau wie die Flamen gefordert hatten - die künftige Finanzierung von Föderalstaat und Gliedstaaten gebührend zu berücksichtigen. Was hätte der König auch anderes sagen sollen?
Wenn man den Staat grundlegend umbaut, dann ist doch klar, dass dann auch zu klären ist, wie man das finanziell schultern will. In finanzieller Hinsicht alles beim Alten belassen, ist total unmöglich, denn das wäre der schnellste und direkte Weg in den Bankrott Belgiens. Bei immer neuen Zuständigkeiten für die Regionen und Gemeinschaften geht es nicht an, dass diese nur die Hand aufhalten müssen, und der Föderalstaat schiebt ihnen das Geld zu.
Bei dieser sechsten Staatsreform Belgiens ist man an einem Punkt angelangt, an dem fast 50 Prozent der staatlichen Einnahmen an die Teilstaaten gehen, beziehungsweise von ihnen ausgegeben werden, und das, ohne finanzielle Rechenschaft darüber ablegen zu müssen.
Das beste Beispiel sind die Beamten: Die Regionen und Gemeinschaften können deren so viele einstellen, wie sie wollen, über die Pensionen, die diese später erhalten werden, brauchen sie sich keine Sorgen zu machen, denn die muss der Föderalstaat zahlen. Und das ist nur ein Beispiel, das zeigt, dass der flämische Wunsch nach einer größeren finanziellen Verantwortung der Gliedstaaten nicht nur gerechtfertigt ist, sondern sogar eine Grundvoraussetzung für eine solide finanzielle Basis des Landes. Dies trifft umso mehr zu, als Belgien in den nächsten fünf Jahren insgesamt 25 Milliarden Euro einsparen muss.
Es ist allerdings eine Tatsache, dass die Flamen mit ihrer Forderung nach einer tiefgreifenden Revision des Finanzierungsgesetzes noch ein zweites Ziel verfolgen, nämlich den flämischen Geldstrom in Richtung Wallonie und Brüssel spürbar zu verringern. Zurzeit zahlt jeder Flame jährlich rund 1.000 Euro für die Französisch sprechenden Mitbürger. Bei sechs Millionen Flamen sind das rund 6 Milliarden Euro im Jahr. Diese Zahl stammt übrigens von frankophonen Universitätsprofessoren und wurde noch am vergangenen Dienstagabend im RTBF-Fernsehen genannt.
Sechs Milliarden Euro, das ist kein Pappenstiel. Das Schlimmste ist jedoch, dass die übergroße Mehrheit der Flamen überzeugt ist, dass dieses Geld in einem Fass ohne Boden versickert. Dass sich dadurch die Lage in der Wallonie nicht bessert und dieser Finanztransfer in Zukunft nicht kleiner, sondern, wenn nichts geschieht, eher noch größer werden könnte.
Genau hier liegt der Hase im Pfeffer. Hier liegt der wichtigste Grund für die flämische Forderung nach einer echten finanziellen Verantwortung der Teilstaaten für die Ergebnisse der von ihnen geführten Politik. Man könnte die flämische Denkweise, einfach gesagt, auch so ausdrücken: Wenn die Frankophonen schon nicht mit dem Geld umgehen können, dann sollten künftig die Flamen wenigstens nicht mehr den Kopf dafür hinhalten müssen.
Das wird zwar so offen nicht gesagt, doch haben die Wallonen es sicher so verstanden, und sie wissen wohl auch, dass De Wever und die übrigen flämischen Parteien am Verhandlungstisch aus den genannten Gründen für die Revision des Finanzierungsgesetzes genau so kämpfen werden wie in den vergangenen Wochen für die Übertragung neuer Kompetenzen an die Teilstaaten.
Und weil insbesondere Di Rupo dies weiß, sagte er bei seiner Rückkehr vom König vor der Presse: Niemand, weder Flamen, noch Wallonen, noch Brüsseler, noch Deutschsprachige, niemand in Belgien darf durch eine neue Finanzregelung ärmer werden. Als er das sagte, wusste er nur allzu gut: Das dicke Ende muss noch kommen.
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