Tausende Schüler haben den vierten Donnerstag in Folge den Unterricht geschwänzt, um für den Klimaschutz zu protestieren. Während allgemein aus der Politik recht viel Lob für das Engagement der vielen jungen Belgier zu hören ist, zeigte N-VA-Chef Bart de Wever kaum Verständnis für die Sorgen der jungen Leute.
Seine Botschaft: "Habt keine Angst vor der Zukunft und stattdessen Vertrauen in Innovationen. Es ist Aufgabe der jungen Generation uns mit Mathematik und Physik zu helfen, Lösungen zu finden." Klare Ansage an die Schüler: Nicht durch Unterricht-Schwänzen, sondern durch Lernen, Lernen, Lernen könnt ihr euren Beitrag leisten.
Und was genau die jungen Leute am besten lernen sollten, da hat der N-VA-Chef auch eine Idee: "Die Kernenergie ist unerlässlich, wenn wir den CO2-Ausstoß reduzieren und fossile Brennstoffe eliminieren wollen. Wir werden viel Strom benötigen, um die industriellen Prozesse und unsere Fahrzeuge anzutreiben. Die Kernenergie ist die umweltfreundlichste Art, diesen Strom zu erzeugen."
Tatsächlich sind Atomkraftwerke von ihrer CO2-Bilanz her ohne Zweifel viel besser als Kohle- oder Gaskraftwerke. Und bestehende Reaktoren liefern derzeit den billigsten Strom überhaupt. Dennoch hat die Kernenergie als Hoffnung für die Zukunft zwei entscheidende Haken.
Sicherheit
Zum einen die Sicherheit. Die Atomkatastrophen von Tschernobyl und Fukushima haben sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. In belgischen Atomkraftwerken hat es bislang zwar noch nie einen tödlichen Unfall gegeben, doch die Sicherheit hat einen Preis. Wegen der kleinsten Störung müssen die Reaktoren abgeschaltet werden.
Mit dem fortschreitenden Alter der Anlagen verschärft sich die Problematik. Ständige und teils unerwartete Abschaltungen wegen Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten wirken sich zum einen auf die Energieversorgung aus. Zum anderen steigert sich dadurch nicht gerade das Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit der Anlagen.
Der Neubau von Kernkraftwerken gestaltet sich als noch komplizierter. Gute Beispiele liefert eine neue Anlage im Nachbarland Frankreich. Die Kosten und die Bauzeit haben sich durch ständig steigende Sicherheitsanforderungen und eine Reihe technischer Rückschläge vervielfacht.
Der Bau des neuen Reaktors in Flamanville sollte ursprünglich drei Milliarden Euro kosten und fünf Jahre dauern. Inzwischen sind es mindestens elf Milliarden Euro und nach zwölf Jahren ist er noch immer nicht fertiggestellt.
Müllentsorgung
Das zweite große Problem ist die Entsorgung des atomaren Abfalls. Abgebrannte Uranstäbe geben noch lange Zeit schädliche Dosen von Radioaktivität ab. So kann es hunderttausende Jahre dauern, bis radioaktive Elemente nicht mehr strahlen und somit sicher sind. Der Atommüll muss also diese hunderttausend Jahre lang irgendwo sicher gelagert werden.
Belgien hat immer noch nicht genau festgelegt, wie es seine atomaren Abfälle entsorgen soll. Seit den 80er Jahren gelten Lagermöglichkeiten in Tonschichten tief in der Erde bei Mol als vielversprechend. Die Untersuchungen laufen noch.
Allerdings haben Experten der Umweltorganisation Greenpeace erst diese Woche eine Warnung ausgesprochen: Die unterirdische Entsorgung von Atommüll ist ihrer Meinung nach nicht sicher genug. Es sei besser, die Abfälle vorerst noch überirdisch zu belassen, bis eine bessere Lösung gefunden wird.
Machen wir uns nichts vor, das Problem der radioaktiven Abfälle ist nach wie vor ungelöst. "Das ist ein Prozess, der noch Jahrzehnte dauern wird", gibt eine Sprecherin der nationalen Agentur für radioaktive Abfälle und angereicherte spaltbare Stoffe zu.
Ob die Zukunftsalternative Kernenergie die schulschwänzenden Klima-Aktivisten beruhigen wird, darf wohl bezweifelt werden.
Peter Eßer
Die Schüler sollten sich wirklich besser den Kopf über Energieversorgung zerbrechen als über sinnlosen Klimaschutz. Kernenergie ist nicht die beste Lösung, aber "alternative Energien" wie Wind+Sonne sind überhaupt keine Lösung fürs öffentliche Netz, weil nicht grundlastfähig.