Mehr als zehn Jahre nach dem Zusammenbruch der Fortis-Bank wird die Strafakte geschlossen. Das hat die Brüsseler Staatsanwaltschaft beschlossen. Sieben ehemalige Spitzenmanager der Fortis-Bank und der Fortis-Gruppe würden nicht weiter gerichtlich belangt, heißt es.
Die Wirtschaftszeitung "L'Echo" spricht am Donnerstag von einem vorgezogenen Weihnachtsgeschenk für Maurice Lippens, Ex-Fortis-Präsident, Jean-Paul Votron, Ex-CEO von Fortis, und fünf weitere Spitzenmanager der ehemaligen Vorzeigebank von Belgien.
Ine Van Wymersch, Sprecherin der Brüsseler Staatsanwaltschaft, sagte am Donnerstagvormittag im Radio der VRT: "Letztlich haben wir nach gründlicher Analyse des Dossiers und auch nach der jüngsten Nachricht, dass die Geschädigten im Rahmen eine Regelung in den Niederlanden entschädigt werden, beschlossen, dass nicht genug belastbare Elemente in dem Dossier übrigbleiben, um die Manager wegen Falschangaben in der Jahresbilanz weiter zu verfolgen."
Drei Dinge spricht die Sprecherin hier mehr oder weniger deutlich an. Erstens: Es gibt eine Entschädigungsregelung in den Niederlanden. Zweitens: Nicht mehr alle Elemente der Untersuchung können noch geltend gemacht werden vor Gericht. Drittens: Die Beweislast reicht nicht mehr aus.
Zum ersten Punkt, den Entschädigungen. Tatsächlich hat vor kurzem erst der Fortis-Nachfolger in den Niederlanden Ageas mit den ehemaligen Anteilhabern von Fortis eine Entschädigungsregelung getroffen. 1,3 Milliarden Euro stellt Ageas für diese Entschädigungen zur Verfügung. Auch die Fortis-Geschädigten in Belgien sollen davon profitieren. Für die Brüsseler Staatsanwaltschaft ist damit das wichtigste Ziel ihrer strafrechtlichen Verfolgung erreicht. Sprecherin Van Wymersch sagt: "Unsere Priorität war es immer gewesen, dass die Anleger entschädigt werden. Und das scheint jetzt der Fall zu sein."
Zum zweiten Punkt, der Verjährung. Denn darum geht es bei den Elementen, die nicht mehr geltend gemacht werden können. Die Wirtschaftszeitung "De Tijd" spricht da salopp gesprochen von Schlamperei. Man habe - vielleicht sogar bewusst - nicht den Eifer an den Tag gelegt, der eigentlich in dieser Angelegenheit zu erwarten gewesen wäre von einer Staatsanwaltschaft.
Auch bei der VRT konfrontierte der Journalist Van Wymersch mit diesem Vorwurf. Doch die Sprecherin wies diese Kritik von sich. "Dass die Bearbeitung einiger Anklagepunkte so lange gedauert hat, dass sie verjährt sind, ist auf keinen Fall eine bewusste Strategie gewesen", sagte sie. "Das ist eine komplexe und heikle Untersuchung. Und dafür braucht man natürlich viel Zeit."
Für die Wirtschaftszeitung “L’Echo” ist das alles unfassbar. Bei der Tragweite der Fortis-Affaire hätte man mit geballter Untersuchungsmacht zügig und gnadenlos die Akte behandeln müssen. Stattdessen habe sich ein Fehler an den anderen gereicht, habe die Politik einfach nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt, kommentiert "L'Echo". Die Schwesterzeitung "De Tijd ihrerseits schreibt von „Menschen, die glauben, dass hinter den Kulissen einflussreiche Kräfte gewirkt haben, damit es nie zu einer Anklage kommt. Die Einstellung des Verfahrens hilft nicht, diese Vermutungen zu entkräften“, schlussfolgert die Zeitung.
2013 wollte die Staatsanwaltschaft die Manager noch wegen Fälschung der Jahresabrechnungen und Betrugs vor Gericht stellen. Sie sollten Anleger durch Fehlinformationen über die Immobilienkrise in den USA getäuscht haben.
belga/vrt/jp/kw