Gerade Dejan Veljkovic hat also die Reißleine gezogen, um Schluss zu machen mit dem Katz- und Mausspiel mit Staatsanwaltschaft und Ermittlern. Die Vorwürfe gegen ihn? Alle - oder zumindest fast alle - berechtigt. Einsicht? Immerhin soweit, als dass Veljkovic jetzt die Karten offen auf den Tisch legen will. So sagt es auch sein Anwalt Kris Luyckx. "Er hat ziemlich schnell eingesehen, dass er in einer Branche gearbeitet hat, die durch und durch verrottet war. Und wo nicht nur bei finanziellen Angelegenheiten Normlosigkeit eigentlich die Norm war."
Diese Einsicht muss tatsächlich sehr schnell gekommen sein. Schon drei Tage nach der Verhaftung von Veljkovics stellt sein Anwalt den Antrag auf ein Kronzeugenverfahren. So ein Verfahren ist erst seit August in Belgien möglich. Veljkovic ist der allererste, bei dem das Verfahren jetzt angewendet wird.
Der gebürtige Serbe bekommt weitgehenden Strafnachlass, wenn er ein umfassendes Geständnis und umfassende Informationen liefert zu den Dingen, mit denen sich die Ermittler beschäftigen. In den Worten seines Anwalts hört sich das wie folgt an: "Er hat sich dazu verpflichtet, enthüllende und substantielle Aussagen zu machen. Auch über Dinge, die noch nicht bekannt sind."
Nur die Spitze des Eisbergs?
Gerade der letzte kurze Satz könnte viel Sprengstoff enthalten. Denn schon kurz nach seiner Festnahme soll Veljkovic angedeutet haben, dass das, wofür er festgenommen worden war, wohl nur die Spitze eines Eisbergs sei.
Will heißen: Im belgischen Fußball gibt es noch viele dunkle Geschäfte aufzuhellen. Alles ist noch viel schmutziger, korrupter und durch Geld beeinflusst, als die Staatsanwaltschaft oder auch die Öffentlichkeit bislang vermuten. Das alles könnte jetzt bekannt werden. "Herr Veljkovic hat selbst gesagt: 'Ich habe den festen Willen, dafür zu sorgen, dass sich der belgische Fußball grundlegend verändert'“, so sein Anwalt.
Soll man diesen Worten Glauben schenken? Für Veljkovic hängt viel von seiner Ehrlichkeit ab. Wenn sich herausstellt, dass er nicht alles sagt, was er weiß, oder sogar falsche Aussagen macht, dann kann der Deal mit der Staatsanwaltschaft wieder rückgängig gemacht werden. Dann drohen ihm wieder die 15 Jahre Haft, die jetzt in fünf Jahre auf Bewährung verringert werden sollen.
"D-Day für den belgischen Fußball"
Deshalb gehen auch Beobachter davon aus, dass es jetzt tatsächlich zu einer Menge unangenehmer Enthüllungen im belgischen Fußball kommen wird. Der VRT-Fußballexperte Eric Goens sieht es sogar dramatisch. Am Dienstagabend sagte er in der Sendung De Afspraak: "Das ist ein D-Day für den belgischen Fußball, wenn man es in einer kriegerischen Sprache ausdrücken will. Plötzlich ist da jemand, und nicht irgendjemand, sondern wirklich eine zentrale Figur, die wie eine Spinne im Netz die Fäden zusammengehalten hat."
Tatsächlich ist Veljkovic neben dem anderen prominenten Spielervermittler Mogi Bayat der wohl größte Fisch im Netz der föderalen Staatsanwaltschaft. Dass dieser Fisch jetzt reden will, weckt bei der Staatsanwaltschaft die Hoffnung, dass die Ermittlungen im Fußballskandal schnelle Fortschritte machen könnten. "Das ist natürlich sehr bedeutend für die Ermittlungen", sagt Eric Vandersypt, Sprecher der föderalen Staatsanwaltschaft. "Wir hoffen, dass Herr Veljkovic einen wichtigen Beitrag zu den Ermittlungen liefern wird. Er ist jetzt dazu verpflichtet, Klarheit zu schaffen über seine eigene Verantwortung, aber auch über die Verantwortung Dritter."
Was mit Veljkovic jetzt passiert, ist nicht im Detail bekannt. Zwar hat er das Gefängnis bereits verlassen, ist zu seiner Familie zurückgekehrt und hat Anspruch auf Zeugenschutz. Doch wie genau der aussieht, ist noch unklar. Auch wann er seine ersten Aussagen machen wird und welche Konsequenzen die dann haben werden, steht alles noch in den Sternen. Sicher scheint nur: Der aktuelle Skandal im belgischen Fußball ist längst noch nicht zu Ende.
Auch der belgische Fußballverband will eine Kronzeugenregelung anwenden
Kay Wagner