Seit heute Mittag trifft Di Rupo wieder die einzelnen Delegationen, und erst heute Abend kommen alle zusammen an den Verhandlungstisch. Gestern hatte der Präformateur den sieben Parteien mündlich einige Vorschläge über die Staatsreform unterbreitet.
Brüssel-Halle-Vilvoorde
Aus Verhandlungskreisen verlautete, über BHV habe er nicht gesprochen. Vielleicht, weil man dort einem Durchbruch nahe gekommen ist, war zu hören.
Die N-VA will die Spaltung des Wahlbezirks erreichen, ohne den Frankophonen zu viele Zugeständnisse zu machen. Eine Gegenleistung wäre für die französischsprachigen Parteien eine Ausweitung des sogenannten Einschreibungsrechts für frankophone Bürger in den flämischen Brüsseler Randgemeinden, das es ihnen gestattet, bei Wahlen für frankophone Kandidaten auf Brüsseler Listen zu stimmen.
Vor allem die cdH will dieses Recht auf einige Gemeinden ausdehnen, in denen es bisher keine Spracherleichterungen gibt. Bart De Wever lehnt das aber ab. Man sucht auch nach einer Lösung für die drei noch immer nicht ernannten frankophonen Bürgermeister.
Kompetenzübertragungen
Die Vorschläge des Präformateurs in Sachen Staatsreform enthalten die Übertragung verschiedener Materien mit einem Budget zwischen 10 und 15 Milliarden Euro an die Gliedstaaten. Es handelt sich um große Teile der Sozialen Sicherheit und der Kompetenzen des Justiz- und des Innenministeriums, die Beschäftigungspolitik, die Asylpolitik, die Mobilität und die Straßenverkehrsordnung.
Die Regionen würden über die Steuervorteile, die sie ihren Bürgern und Unternehmen zukommen lassen, selbst entscheiden. Man will auch das Finanzierungsgesetz abändern, und darüber gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Das wäre jedenfalls die größte Staatsreform seit der Regionalisierung des Unterrichtswesens.
Doch die flämischen Parteien zeigten sich enttäuscht, denn nach ihrer Ansicht geht Di Rupo nicht weit genug und verlangt er nicht genügend Konzessionen von den frankophonen Parteien. Flandern erhalte zwar neue Kompetenzen, werde aber daran gehindert, sie anzuwenden. So könne Flandern das Kindergeld selbst verteilen, aber die Bestimmungen, beispielsweise seine Höhe vom Einkommen abhängig zu machen, müssten laut Di Rupo in allen Regionen gleich bleiben.
Die CD&V und die N-VA sind mit ihrer Forderung, die meisten Kompetenzen den Gemeinschaften zu übertragen, isoliert. Die frankophonen Parteien sowie die flämischen Sozialisten und Grünen möchten sie den Regionen anvertrauen. Es wird noch viel verhandelt werden müssen, ehe der Rahmen für die institutionellen Reformen steht.
Wenn in den kommenden Tagen echte Fortschritte gemacht werden sollten, ist es fast sicher, dass der König Di Rupo am Montag mit der eigentlichen Regierungs- und Koalitionsbildung beauftragen wird. Der Weg bis dahin bleibt aber noch lang und gefährlich.
vrt/belga/mh