413 Medikamente sind es genau, die zurzeit fehlen. Und das Problem ist nicht neu. Vor zwei Jahren schon fehlten zeitweise 328 Arzneimittel auf dem belgischen Markt. Die Zahl nimmt zu. "Es wird immer schlimmer", sagt Lieven Zwaenepoel, Sprecher des Berufsverbands der selbständigen Apotheker, APB.
Betroffen sind vor allem Medikamente gegen Asthma, Hepatitis oder gegen Depressionen. Aber auch Inhaliersubstanzen und Impfstoffe. "Ein Beispiel ist ein Medikament gegen Schizophrenie, ein altes Medikament, das aber noch von vielen Patienten genommen wird. Das ist seit über einem Jahr nicht mehr lieferbar“, sagt APB-Sprecher Zwaenepoel.
Belgien ist nicht das einzige Land, das von der Arzneimittelknappheit betroffen ist. Auch in den Niederlanden zum Beispiel ist das Problem bekannt. Voriges Jahr fehlten dort zeitweise 732 Arzneimittel, deutlich mehr als in Belgien.
Hauptgründe
Zwei Hauptgründe nennt APB für den Mangel. Zum einen seien die Pharma-Hersteller dabei, ihr Produktionslinien zu rationalisieren. Dabei käme es dann schon mal zu Engpässen, was auch am Mangel an Grundsubstanzen liegen könnte.
Zum anderen würden einige Hersteller die Medikamente, die eigentlich für den belgischen Markt bestimmt sind, einfach ins Ausland verkaufen. Weil sie dort mehr Geld für die Medikamente bekommen können.
Gerade das ist dem Apothekerverband ein Dorn im Auge. Sprecher Zwaenepoel sagt: "Wir fordern, dass die Arzneimittel, die für den belgischen Markt hergestellt werden, auch tatsächlich an belgische Grossisten und belgische Apotheken geliefert werden. So dass wir sie weiter vorrätig haben können und es zu keinem Mangel kommt, weil die Arzneimittel ins Ausland geliefert werden."
Gesetze
Mit dieser Sicht der Dinge ist die Föderalagentur für Arzneimittel AFMPS vollkommen einverstanden. Entsprechende Gesetze, die die Hersteller und Grossisten dazu verpflichten, die Belieferung des belgischen Marktes zu gewährleisten, gebe es schon. Agentur-Sprecherin Ann Eeckhout sagt in der RTBF: "Es ist sehr wichtig, dass man unsere Gesetze respektiert. Und die Gesetze sehen vor, dass die Grossisten zunächst den belgischen Markt innerhalb von 24 Stunden bedienen müssen."
Doch augenscheinlich halten sich nicht alle Hersteller und Grossisten an diese Gesetze. Weshalb Eeckhout hinzufügt: "Wir wollen noch weitergehen. Wir wollen noch mehr Garantien dafür haben, dass eine Ausfuhr nicht möglich ist, bevor nicht der belgische Markt bedient ist."
Freier Warenverkehr in der EU
Das Problem, das bei diesem Punkt vom Apothekerverband angesprochen wird, ist der freie Warenverkehr in der EU. Dieser Grundsatz würde es den Herstellern und Grossisten durchaus ermöglichen, Arzneimittel dort zu verkaufen, wo es die besten Preise gibt. Die EU-Kommission könnte in dieser Sache eingreifen.
Zwaenepoel sagt: "Der freie Warenverkehr ist eine heilige Kuh in der EU. Von daher werden wir die Zustimmung der Europäischen Kommission brauchen. Wir sind ganz und gar nicht gegen den freien Warenverkehr. Aber wenn es um die Gesundheit unserer Bürger geht, finden wir, dass diese Vorrang haben muss."
Doch ob die Gesundheit der Bürger wirklich zurzeit in Gefahr ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Der Apothekerverband meint Ja. Die Arzneimittelagentur sagt: Nein. Denn für jedes nicht lieferbare Medikament gebe es auch Ersatzmedikamente.
Sowohl die föderale Arzneimittel-Agentur als auch die föderale Gesundheitsministerin Maggie De Block beruhigen: Sorgen um seine Gesundheit müsse sich keiner machen, sagen sie.
Kay Wagner