Der Tag fing schon etwas chaotisch an für Premier Michel und seine Ministerkollegen. Vor Beginn des Ministerrates wurden sie von einer Handvoll Friedensaktivisten lautstark empfangen. "Kein Geld für Krieg, sondern für die Bekämpfung der Armut", skandierten die Demonstranten. Denn, jeder wusste: Heute ist wohl der Tag, an dem die Regierung ihre Wahl des neuen belgischen Kampfflugzeuges bekanntgeben würde.
Am frühen Donnerstagnachmittag gab dann Verteidigungsminister Steven Vandeput hochoffiziell die Entscheidung bekannt. Es wird also die F-35. 34 Maschinen wird dieses Typs wird Belgien anschaffen. Gesamtpreis: 3,8 Milliarden Euro, zuzüglich eventueller Mehrkosten bedingt durch Wechselkursschwankungen werden es am Ende wohl vier Milliarden.
Vier Milliarden, allein für die Anschaffung der neuen Jets. Die sind auf 40 Jahre ausgelegt. Rechnet man die laufenden Kosten hinzu, dann sprechen wir hier von Gesamtkosten über den ganzen Zeitraum in Höhe von rund 15 Milliarden.
Wirtschaftlicher "Return"
Aber, so fügt Vizepremier- und Wirtschaftsminister Kris Peeters hinzu, es wird ja auch einen wirtschaftlichen "Return" geben: Im Gegenzug bekommen belgische Unternehmen Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 3,6 Milliarden Euro. Das Geld fließt also gewissermaßen eins zu eins zurück nach Belgien.
Nicht nur, dass die F-35 klar das bessere Flugzeug war im Vergleich zur Typhoon von Eurofighter, auch dieser wirtschaftliche Return sei erheblich umfangreicher gewesen als bei dem Eurofighter-Angebot. Deswegen also die Entscheidung zu Gunsten der F-35.
Ende der Geschichte von Anfang an bekannt
"Das glaubt doch keiner", tobte aber die Opposition am Nachmittag in der Kammer. In einem Punkt sind sich Grüne, Sozialisten und CDH, sowie Défi und PTB einig: Die Würfel, die da gefallen sind, nun, die waren gezinkt. Das Ende der Geschichte sei von Anfang an bekannt gewesen. Jeder habe doch gewusst, dass die Regierung und im Besonderen die N-VA zu dem amerikanischen Jet tendierten.
Die Opposition setzt da den Hebel im Wesentlichen an zwei Stellen an. Erstens: das Flugzeug an sich. Schon oft wurde in den letzten Monaten auf die nicht enden wollende Liste von Kinderkrankheiten verwiesen. Die F-35 sei einfach noch nicht serienreif und das werde die Kosten in die Höhe treiben.
Klassischer Fall von Tunnelblick
Was wir hier sehen, das ist ein klassischer Fall von Tunnelblick, wetterte etwa Wouter De Vriend von Groen. Trotz aller Bedenken, auch hinsichtlich der Prozedur, ungeachtet aller Warnungen bleibt die Regierung bei ihrer Wahl. Das sei schlichtweg unvernünftig.
Viel schwerer wiegt in den Augen der Opposition aber der zweite, große Kritikpunkt. Musste es unbedingt ein amerikanisches Flugzeug sein?, hieß es im Chor. Ausgerechnet bei diesem ebenso symbolträchtigen wie kostenintensiven Dossier kriegen die USA den Zuschlag, tobte Benoit Hellings von Ecolo. Trump also, der uns Europäern ins Gesicht spuckt.
"Sie sagen immer, sie sitzen bei der Stärkung der EU im Cockpit", stichelte auch Georges Dallemagne von der CDH in Richtung des Premiers. "Nun, da haben sie sich wohl im Cockpit geirrt."
Michel folge hier doch nur der N-VA, die von Europa ohnehin nichts halte, fügt Julie Fernandez von der PS hinzu. Hier verwirkliche sich doch nur die EU-skeptische Sicht der flämischen Nationalisten.
Und daran änderten auch die angeblichen wirtschaftlichen Kompensationen nichts, meinte Dirk Van der Maelen von den flämischen Sozialisten. "Das Geld fließt also integral in belgische Unternehmen zurück? Wenn das so ist, wieso kaufen wir denn nur 34 Flugzeuge? Das ist doch eine Märchenstunde hier."
Den Premier hielt es da häufig kaum auf dem Stuhl. Naturgemäß verteidigte er die Entscheidung seiner Regierung. Die F-35 sei nach einhelliger Meinung das beste Angebot gewesen. Die USA? Nun, die seien immer noch enge Partner innerhalb der Nato. Und apropos: Belgien müsse den Verpflichtungen der Allianz eben nachkommen. Dies, zumal in diesen unruhigen Zeiten. "Wir haben unsere Verantwortung übernommen", sagte Michel, "alles andere wäre keine Option gewesen".
Roger Pint