"Sie sind unseriös; Unruhestifter", giftet Ryanair-Chef Michael O'Leary in Richtung eines CNE-Gewerkschafters. Szenen am Rande einer Pressekonferenz. "Mehr Respekt sollten Sie haben", erwidert der Gewerkschafter, "mehr Respekt für Ihr Personal, Ihre Kunden". Eine Szene, die Bände spricht. Zwischen den Gewerkschaften und der Direktion geht nichts mehr. Und am Freitag, beim zweiten paneuropäischen Streik, könnte es den Showdown geben.
Gewerkschaften aus jetzt sechs Ländern haben für Freitag zum Ausstand aufgerufen: Belgien, Italien, Niederlande, Spanien und Portugal. Gerade am Donnerstag hat sich die deutsche Pilotengewerkschaft Cockpit angeschlossen. Zum Streik aufgerufen sind mal das Kabinenpersonal, mal die Piloten, mal - wie in Belgien - beide Berufsgruppen.
Ryanair-Chef O'Leary war aber in den letzten Tagen bemüht, die Aktion kleinzureden. Der Streik werde nur leichte Auswirkungen haben, sagt er selbstbewusst. Für Freitag seien rund 2.500 Flüge programmiert. Man habe aber gerade mal 150 Verbindungen gestrichen.
Inzwischen sind daraus ein bisschen mehr geworden. Im Raum stand irgendwann die Zahl 190. Weil jetzt auch die Deutschen mitmachen, kommen nochmal rund 45 gestrichene Flüge obendrauf.
In Belgien hatte Ryanair erstmal nur sechs Flüge abgesagt. "Unsere Mitarbeiter haben uns gesagt, dass sie sich nicht an dem Streik beteiligen wollen", sagte Geschäftsführer O'Leary. "Und wissen Sie, warum, fügt er mit einem breiten Grinsen hinzu: Weil die Leute diesen Streik nicht mittragen."
Kein Grund zum Protestieren?
"Na, wenn er sich da mal nicht verkalkuliert", erwidern aber die Gewerkschaften. Beispiel Belgien, sagt Hans Elsen von der christlichen CNE: Bei den letzten beiden Streiks sei von Brüssel aus kein einziges Ryanair-Flugzeug gestartet und in Charleroi war es weniger als ein Drittel. Da könne man doch nicht behaupten, dass die Leute die Aktion nicht unterstützten.
O'Leary wiederholt indes immer wieder, dass die Leute die Streiks nicht gutheißen, weil es keinen Grund mehr zum Protestieren gebe, sagt er. Schließlich habe Ryanair doch die Forderungen der Gewerkschaften akzeptiert: Man ist einverstanden, dass die Mitarbeiter, die von Belgien aus operieren, künftig belgische Verträge bekommen und unter belgisches Arbeitsrecht fallen sollen.
Das stimmt. Die Frage ist nur, wann. Ryanair schlägt vor, dass das Personal seine neuen Verträge 2020 bekommen soll. "Wir wollen aber, dass der Übergang jetzt sofort erfolgt", sagt Didier Lebbe von der CNE. Und die EU-Kommission unterstütze diese Forderung. Auch das stimmt. Die EU-Sozialkommissarin Marianne Thijssen, zufällig eine Belgierin, hatte Ryanair ermahnt, sich bitte umgehend an Europäisches Recht zu halten.
Ryanair riskiert ein Riesenchaos
Beide Seiten haben sich indes in ihren jeweiligen Positionen eingegraben. Michael O'Leary bleibt bei seiner Einschätzung, dass sich die Auswirkungen in Grenzen halten werden. Deswegen wurden bislang auch nur sechs Flüge in Charleroi bzw. Brüssel gestrichen. Inzwischen ist immerhin schon von rund 25 die Rede.
Die Gesellschaft riskiert ein Riesenchaos, warnen die Gewerkschaften. Tausende Passagiere könnten am Freitag in den Abflughallen stranden. Der Direktor des Flughafens von Charleroi, Jean-Jacques Cloquet, scheint deswegen ebenfalls Bauchschmerzen zu haben. Er hofft, dass es in seinem Airport nicht zu Tumulten kommen wird, weil Passagiere ungehalten werden, wenn sie erst vor Ort erfahren, dass ihr Flug nicht geht.
Der Streik ist also irgendwie vergleichbar mit so einer Art Urabstimmung. Dann jedenfalls wird man deutlich sehen können, wer die Mitarbeiter auf seiner Seite hat, die Direktion oder die Gewerkschaften. Ein Showdown eben...
Roger Pint