Da hat der Jugendwahn also auch die Banken erreicht. Eines darf wohl angenommen werden: Diese fragwürdige Entscheidung hat bestimmt keiner der "älteren" Manager bei der ING getroffen. Sie konnte eigentlich nur aus den Köpfen von jungen, angeblich dynamischen Marketing-Strategen stammen.
Von einem jener jungen Bänker, die alles umkrempeln wollen - von einem jener unerfahrenen, aber dafür umso skrupelloser agierenden Entscheider, die ganze Banken gegen die Wand gefahren und Staaten in den Ruin getrieben haben.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es geht nicht darum, die Jungen generell zu verteufeln. Viele - wohl die meisten - Jungen sind im Job engagiert, sind aktiv, gehen verantwortungsvoll mit ihrer Aufgabe um und sind sehr wohl in der Lage, umsichtige Entscheidungen zu treffen. Aber diese Qualitäten darf man auch den Älteren nicht absprechen - weder Managern noch Kunden von Banken. Sie abqualifizieren, wäre das völlig falsche Signal.
Der Spieltrieb von Jungen, ihre Lust am Experimentieren führt unternehmerisch manchmal in die Irre. Ein älterer, erfahrener Manager und Denker hätte sich davor gehütet, seine Altersgenossen als tattrige Greise herabzuwürdigen und ihnen die Entscheidungsfreiheit abzunehmen.
Wo eine Altersgrenze - wenn überhaupt - anzusiedeln ist, ist eine Ermessensfrage, aber auch eine Frage der Zumutbarkeit. Hätte die ING die Maßnahme nicht umgehend zurückgenommen, dann hätte sie riskiert, dass viele ihrer Kunden mit viel Geld und Guthaben aus Verärgerung und Frust der Bank davongelaufen wären.
Denn allen Jugendwahns zum Trotz: Es sind die 60+, die Geld und Kaufkraft haben - wesentlich mehr als die so umworbenen jungen Kunden, die meist noch Raten und Darlehen abstottern müssen und mehr Schulden als Guthaben bei den Banken haben. Wäre es bei der Maßnahme geblieben, wäre es eine Katastrophe für die ING geworden. Aber wie die Erfahrung lehrt, werden Betriebe meist nicht von Älteren, sondern oft von jungen unbekümmerten Wilden in den Sand gesetzt.
Kein Einzelfall
Aber hinter dem Einzelfall ING steckt mehr, nämlich der Zeitgeist. Ältere Mitmenschen werden allzu voreilig als senil und nicht mehr zurechnungsfähig eingestuft. Sie werden in der Ellenbogengesellschaft weggemobbt und allzu früh in Rente geschickt.
Auch Medien und Werbewirtschaft trifft eine große Schuld, wenn sie den Eindruck erwecken, als sei das Haltbarkeitsdatum der älteren Generation abgelaufen. Eine fatale Fehleinschätzung, denn viele der 60er stehen noch voll im Saft, sie stehen im Beruf zumindest ebenso ihren Mann wie die jüngeren Kollegen, sie tragen Verantwortung, sind gesellschaftlich engagiert und haben weiß Gott über schwerwiegendere Dinge zu entscheiden als über Tausend Euro am Geldautomaten.
Das Argument der ING, man habe die Senioren nur vor sich selbst schützen wollen, klingt wie reiner Hohn. Wie sonst bedauern mittlerweile viele Unternehmen, ältere Mitarbeiter aus Kostengründen vorschnell in Rente geschickt zu haben. Als ihnen klar wurde, dass damit ein Riesenpotential an Erfahrung verloren gegangen war, haben sie sie eiligst in die Betriebe zurückgeholt - falls ihnen das überhaupt gelang.
Ganz abgesehen davon, dass 60-Jährige heute nicht mit den 60-Jährigen von vor ein oder zwei Generationen zu vergleichen sind, dass sie heute aktiv, unternehmenslustig und fit sind - es ist die Tatsache, dass sie vielfach schon zum alten Eisen gezählt werden, die sie auf die Palme bringt. Aber sie wollen nicht entmündigt, sie wollen nicht mitleidig belächelt, sondern ernst genommen werden. Und das zu Recht. Alles andere wäre ein grobe Fehleinschätzung.
Politik, Gesellschaft und Unternehmen werden sich in Zukunft auf Einiges gefasst machen müssen. Die Seniorenpower wird immer stärker werden, die noch jungen Senioren werden zwangsläufig immer mehr statt weniger Gewicht haben. Ihre Lobbies werden zahlenmäßig explodieren. Die Bewegung der "grauen Panther" in den 70er Jahren in Deutschland etwa war da bestensfalls ein Vorgeplänkel.
Die jungen und alten Senioren werden sich mit Macht Gehör verschaffen und sich mit ihren Mitteln gegen ihre Verdrängung in der Gesellschaft wehren. Die immer jüngeren "älteren" Bürger ernstzunehmen, sie richtig einzuordnen, das wird - neben der tatsächlichen Vergreisung der Bevölkerung - eine der großen Herausforderungen für Politik und Gesellschaft werden.
Bild: belga
Sehr geehrter Herr Maraite,
vielen Dank für Ihre Dokumentation zu diesem "heiklen" Thema. Sie haben den Tatbestand sehr treffend erläutert. Jetzt bleibt nur noch die Hoffnung, dass "Der Spieltrieb von Jungen, ihre Lust am Experimentieren..." nicht in eine globale Katastrophe endet. Eine Frage bleibt z. Zt. jedoch noch unbeantwortet: Wer schaltet diese Psychopaten aus?
Gerhard Meyer
Könnte es sein dass die jungen Wölfe der ING jedoch ganz einfach nur Anhänger der Marketingstrategie von vielen VIP's sind: umso grösser der produzierte Schwachsinn umso grösser die Wahrscheinlichkeit in den Schlagzeilen der Medien zu gelangen. Präsenz zählt, Inhalt ist Nebensache...
Da lohnt sich echt nicht einen Kommentar zu schreiben. Für solch eine Diskriminierung älterer Mitbürger gibt's nur eins, dieser Bank einen Denkzettel verpassen und die BANK WECHSELN.