Im Fokus stehen im Moment die ultrarechte Jugendorganisation "Schild en Vrienden" und im frankophonen Landesteil ein emotionales Internetvideo, in dem eine RTBF-Wettermoderatorin das rassistische Mobbing anprangert, dem sie permanent ausgesetzt sei. Diskutiert wird jetzt vor allem über die Frage, ob bzw. inwieweit gewisse Politiker über ihre Wortwahl solche Übergriffe anheizen.
"Wollt Ihr was zu lachen?", fragt Cécile Djunga, allseits bekannte RTBF-Wetterfee in einem Facebook-Video. "Ich hab' da heute eine besonders lustige Geschichte für Euch..."
Eine Dame habe im Büro angerufen, um ihr zu sagen, dass sie "zu schwarz" sei, sagt die junge Frau mit kongolesischen Wurzeln. Ursprünglich hatte die quirlige Cécile Djunga das tatsächlich lustig gemeint. Im Verlauf des Films wird sie aber zunehmend verbittert. "Das ist nicht mehr lustig", sagt sie. Ständig müsse sie solche rassistischen Anfeindungen ertragen. Ständig. Und jetzt habe sie es satt.
Man hört es: Cécile Djunga hat die Tränen in den Augen, die junge Frau ist am Ende... Später betont sie zwar, dass sie "stark genug" sei, um auch damit fertig zu werden; weil der Film aber so authentisch war, hat er seine Wirkung nicht verfehlt. RTBF-Generaldirektor Jean-Paul Philippot stellte sich hinter seine Mitarbeiterin. Das sei absolut inakzeptabel und werde nicht mehr hingenommen...
In Flandern schlägt derweil weiter die Affäre um die ultrarechte Jugendorganisation "Schild en Vrienden" hohe Wellen. Die VRT hatte ja das wahre Gesicht der Gruppe ans Licht gebracht. Journalisten des Fernsehmagazins Pano hatten Einblick in eine geheime Chat-Gruppe bekommen. Darin haben Mitglieder von "Schild en Vrienden" Posts ausgetauscht, die größtenteils in die Kategorie "menschenverachtend" fallen: Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Naziverherrlichung - das volle braune Programm.
Die Sache ist in Flandern ein Politikum. Nicht nur, weil die Organisation gezielt Gremien unterwandert hat, wie z.B. den flämischen Jugendrat. Eine Reihe von Mitgliedern von "Schild en Vrienden" stehen auch auf Wahllisten. Fünf Kandidaten wurden bereits aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Gruppe ausgeschlossen beziehungsweise haben sich aus freien Stücken zurückgezogen. Vier von ihnen waren auf N-VA-Listen, einer bei der CD&V.
Besonders viele "Schild en Vrienden"-Mitglieder sind aber bei den flämischen Nationalisten. Der Vorsitzende der Jung N-VA sprach von "rund 20 Personen". "Mit denen werde jetzt geredet", sagte der N-VA-Staatssekretär Theo Francken in der RTBF. Um zu sehen, inwieweit sie an der Verbreitung der fraglichen Inhalte beteiligt waren. Für Leute mit einem radikalen Weltbild gebe es keinen Platz in der N-VA.
Die N-VA ist gerade offensichtlich peinlich berührt. Zwischen Schild en Vrienden und der Partei gibt es eine gewisse Nähe. Es kursieren etwa Fotos, auf denen Mitglieder der Organisation zusammen mit Theo Francken posieren. Die Partei hat denn auch die Order ausgegeben: Aufräumen...
Francken selbst will aber von eventuellen inhaltlichen Parallelen nichts wissen. Er könne doch nicht für die Gesinnung aller seiner Anhänger verantwortlich gemacht werden, sagt er in der RTBF. Leute, die solche rassistischen Posts verbreiten, das sind Idioten, sagt Francken. Und, wenn sie ihn toll finden, dann könne er da auch nichts für; und es blieben auch Idioten.
So ganz unschuldig sei Francken aber nicht, sind einige überzeugt. Er und andere hätten durch ihre polarisierenden Aussagen und durch ihre Wortwahl dafür gesorgt, dass Rassisten sich im Aufwind sehen, schreiben sinngemäß etwa viele Leitartikler. Und auch CD&V-Chef Wouter Beke scheint in diese Richtung zu denken. In der VRT wollte er zwar keine Namen nennen. Wir sollten aber alle in uns gehen, sagt Beke. Insbesondere Politiker sollten ihre Art der Kommunikation mal hinterfragen:
Francken will sich den Schuh nicht anziehen. Klar: Er habe ein Problem mit der derzeit in Europa praktizierten Migrationspolitik. Das sei aber legitim, das entspreche der Meinungsfreiheit. Das mache aus ihm aber keinen Rassisten, auch keinen Unterstützer von Rassisten:
Dennoch: Angesichts der jüngsten Häufung von Rassismus-Vorfällen ist das wohl bestimmt noch nicht das Ende der Diskussion...
RoP
Leider eine längst überfällige Debatte, nicht nur seit Trump und AfD.
Solange sich aber Menschen hinter "politischem Unmut" verstecken, um ihren Hass zu sähen, und diejenigen, die daneben stehen und tatsächliche und ernstzunehmende Ängste haben dann wegschauen oder sich nicht klar vom braunen Mob distanzieren und von ihm mitreißen lassen, muss die schweigende "Mitte der Gesellschaft" viel entschiedener die Trennlinie zwischen Hass und ernstgemeinter Sorge ziehen.
Es würde auch helfen, wenn Politik und Bürger sich in Wort und Tat weniger an Emotionen und mehr ans Hirn, an Fakten und Zahlen orientierten.
Vielen Dank an RoP für eine weitere hervorragend nuancierte journalistische Berichterstattung.
Black is beautiful.