Die Türkei ist plötzlich sehr nah, wenn man Benoît Cassart über die aktuelle Krise beim Preis für Rinder reden hört. Der Generalsekretär des Nationalen Verbandes für Tier- und Fleischhandel (FNCBV) sieht nämlich in der Währungskrise in der Türkei einen der Gründe, warum die Viehzüchter zurzeit größere Sorgen haben, als sonst. Die Türkei habe wegen der Krise nämlich den Import von Rindern aus Belgien eingestellt.
Wörtlich sagt Cassart: "Der kleine, normale Bulle, der normalerweise in die Türkei geliefert wurde, wird jetzt nicht mehr dorthin geliefert. Denn in der Türkei ist die Währung zusammengebrochen."
Die Türkei ist nicht der einzige Markt, der zurzeit für die belgischen Viehzüchter weggebrochen ist. Auch nach Frankreich und die Niederlande können sie gerade weniger Fleisch verkaufen. Grund hierfür ist der Skandal beim Schlachthof Veviba in Bastogne, der viele Kunden aus den Niederlanden und Frankreich hatte. Der Schlachthof war wegen des Skandals im Frühjahr geschlossen und erst vor kurzem wieder unter neuem Namen geöffnet worden.
Keine Türkei, kaum Niederlande und Frankreich. Und dann auch noch die Trockenheit. Die hat gleich mehrere Folgen für die Viehzüchter: Es gibt nicht genug zu fressen für die Tiere. Also muss Nahrung gekauft werden. Dafür benötigen die Landwirte Geld. Also verkaufen sie Tiere. Mehr als sonst. Sogar Milchkühe, weil auch die nicht genug Milch liefern und plötzlich zu einer Belastung werden.
Diese Phänomene sind nicht auf Belgien beschränkt. "Mit Blick ins Ausland bleibt festzustellen: Überall ist es diesem Sommer trocken. Deshalb werden die Weltmärkte gerade mit Milchkühen überschwemmt, und das drückt die Preise weiter nach unten", erklärt Benoît Cassart.
Zu viel Schlachtfleisch im Angebot - da fallen die Preise. Am Viehmarkt in Ciney zum Beispiel ist der Preis für Rinder seit Anfang August um zehn bis 20 Prozent gefallen. Viehhändler Pierre Mailleux drückt das wie folgt aus: "Vor zwei Monaten haben wir Rinder noch für 1.750 Euro verkauft. Jetzt kosten sie 1.350, 1.370 Euro. Das ist ein großer Unterschied."
Trotz der gefallen Preise würden die Landwirte weiter ihre Tiere verkaufen. "Ja, verkaufen müssen", wie auch Mailleux sagt. "Das sind Tiere, die unbedingt weg müssen", erklärt er. "Denn die Landwirte brauchen das Geld, damit der Betrieb weitergeht. Deshalb müssen sie halt irgendetwas verkaufen."
Hitze und Trockenheit, die zu weniger Futter und Feldfrüchten führen, sorgen für zusätzliche Kosten bei den Landwirten, die deshalb ihre Tiere verkaufen müssen, obwohl sie eigentlich nicht so kräftig sind, wie sie sein sollten. Dazu die Marktpreise, die gefallen sind: Die Viehzüchter würden gerade an allen Fronten verlieren, sagt Benoît Cassart.
Deshalb sieht der Generalsekretär des Viehhandelsverbands die Branche auch gefährdet. Schon bislang hätten die Viehzüchter in der Wallonie quasi nichts verdient mit ihren Tieren. Jetzt verschlimmere sich die Situation. Die finanziellen Probleme könnten für einige Landwirte am Ende des Jahres unüberwindlich werden. Ein ganzer Wirtschaftssektor sei in Gefahr, warnt Cassart.
Kay Wagner