Benoît Heggen steht in seinem Weingut und testet die Trauben. Ein bisschen Saft in den Refraktometer, mit dem er den Zucker- und potentiellen Alkoholgehalt der Traube feststellen kann. Ein Blick auf die Anzeige. Dann sagt er: "Gut zehn Prozent potenzieller Alkoholgehalt. Das ist extrem hoch. Grund dafür ist natürlich die große Hitze, die wir im Juli und Anfang August hatten. Das hat dazu geführt, dass sich jetzt schon viel Zucker in den Trauben angesammelt hat."
Zuckerreiche Trauben stellt auch Romain Bévillard im Weingut Vin de Liège fest. "Die Trauben haben jetzt schon viel Zucker", sagt auch er. "Sie werden also höchstwahrscheinlich früher als sonst reif sein, weshalb wir dann auch mit der Lese sicher zwei Wochen früher als sonst beginnen werden. Wahrscheinlich Anfang September."
Die Weingüter von Heggen und Bévillard liegen nicht weit voneinander entfernt. Bévillard baut den Vin de Liège in Oupeye an, der westlichen Nachbargemeinde von Visé. Heggen sorgt sich um seine rund 8.000 Rebstöcke in der östlichen Nachbargemeinde von Visé, in Dahlem.
Trotz der Nähe sind die Voraussetzungen für den Anbau unterschiedlich. Weshalb die Weinstöcke der beiden Winzer die Hitze im Juli auch unterschiedlich durchlebt haben. "Meine Reben stehen hier auf einem Kalkboden. Der hat im Mai, als es viel geregnet hat, das Wasser gut aufnehmen und konservieren können. Als die Weinreben dann das Wasser gebraucht haben, konnte der Boden ihnen das zur Verfügung stellen", erklärt Benoît Heggen.
Wenige Kilometer westlich konnten sich Romain Bévillard und seine Kollegen nicht über solche guten Naturbedingungen freuen. Sie mussten selbst aktiv werden, um für genug Wasser für die Rebstöcke zu sorgen. "Als es angefangen hat, sehr heiß zu werden und es absehbar war, dass das erst einmal so bleiben wird, haben wir beschlossen, die Bepflanzung zwischen den Weinreben zu entfernen. Die Bepflanzung hätte den Weinreben sonst Wasser weggenommen. Weil es aber nicht genug Wasser für alle Pflanzen gab, haben wir den Weinreben den Vorzug gegeben", erzählt Bévillard.
Für 2.000 junge und noch kleine Weinstöcke reichte die Maßnahme nicht aus. Sie verendeten wegen der Hitze. Doch 78.000 andere Weinstöcke des Vin de Liège tragen jetzt Trauben. Mit einem - wie gesagt - hohen Zuckergehalt.
Um diese Vorlage des hohen Zuckergehalts in einen guten Wein umzuwandeln, bedarf es jetzt noch Wasser für die Trauben, damit sie größer werden, noch mehr Mineralien aufnehmen und schmackhaften Saft erzeugen können. "Was wir jetzt brauchen, wäre einen ganzen Tag lang ganz leichter Regen, damit der Boden oberflächlich, aber auch in der Tiefe gut mit Wasser gefüllt wird. Dann können wir darauf hoffen, dass die Trauben noch mehr Saft bekommen. Das fehlt ihnen zurzeit noch", sagte Winzer Heggen vor ein paar Tagen gegenüber der RTBF.
Der Wunsch von Winzer Heggen geht gerade quasi in Erfüllung. Zwar gab es keinen ganzen Tag lang leichten Regen. Aber über mehrere Tage verteilt mal immer wieder Regen. Daneben sind die Temperaturen etwas kühler. Die Hoffnung auf einen besonders guten Jahrgang bleibt für die Winzer rund um Visé also bestehen.
Mit der wahrscheinlich guten Ernte werden sie übrigens unterschiedlich umgehen. Winzer Heggen will seine Menge nicht steigern, dafür aber versuchen, die Qualität seines Weins aus der Domaine Vignoble les Marnières zu steigern. Bei den Vin de Liège geht man den anderen Weg. Hier will die Genossenschaft den guten Jahrgang dazu nutzen, die Menge des produzierten Weins zu erhöhen. 60.000 Flaschen erhofft sich Romain Bévillard. 20.000 mehr als im vergangenen Jahr.
Kay Wagner