Es war Ende Juli, nach dem Streik des Kabinenpersonals von Ryanair, als die Ryanair Führung eine klare Drohung gegen andere Berufsgruppen des Unternehmens aussprach, um sie vom Streiken abzuhalten.
Die christliche Gewerkschaft CNE hatte daraufhin Briefe geschrieben: an Premierminister Charles Michel, Arbeitsminister Kris Peeters, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die EU-Arbeitskommissarin Marianne Thyssen, bekanntlich eine belgische Politikerin aus den Reihen der CD&V. Sie alle sollten sich dafür einsetzen, forderte die Gewerkschaft, dass die Rechte der Arbeitnehmer bei Ryanair gesichert bleiben. Darunter eben auch das Recht auf Streik.
Peeters reagierte am schnellsten. Er trotzte dem Chef von Ryanair, Michael O’Leary, die schriftliche Bestätigung ab, dass Ryanair-Mitarbeiter unbestraft streiken dürfen. Immerhin.
Etwas später antwortete auch EU-Kommissarin Thyssen, auch im Namen ihres Chefs Juncker. Allerdings fiel die Antwort sehr vage aus: Der Brief von Thyssen stellt klar, dass die Angestellten von Ryanair Rechte haben und die Piloten nach den Bedingungen des Landes bezahlt werden müssen, in dem sie als Beschäftigte gemeldet sind. Da bei Ryanair viele Piloten komplizierte Spezialverträge haben, ist nicht unbedingt klar, was die Antwort der Kommissarin konkret für die Ryanair-Piloten bedeutet.
Für Didier Lebbe von der christlichen Gewerkschaft ist die Antwort von Thyssen dann auch zu wenig. Er zeigt sich enttäuscht von der Rolle, die die Politik im Konflikt zwischen Ryanair und dem Personal spielt. "Ich frage mich, ob die Europäische Union und die belgische Regierung überhaupt noch eine Autorität gegenüber Herrn O’Leary ausüben, oder ob Herr O’Leary mehr Autorität besitzt als sie? Wer hat die Macht in diesem Land, um darauf zu achten, dass die Gesetze befolgt werden? Oder finden die Europäische Union und die belgische Regierung das Gebaren des Herrn O’Leary vielleicht völlig normal und man lässt ihn einfach weitermachen?"
Schon Mittwochabend war Lebbe mit dieser Äußerung bei der RTBF zu sehen. Am Donnerstag stellten Journalisten bei der EU-Kommission die Frage, was sie denn zur Schlichtung des Konflikts bei Ryanair täte. Die Antwort war ernüchternd: "Streiks sind Angelegenheiten zwischen Sozialpartnern", sagte Sprecherin Mina Andreeva. "Die EU-Kommission mischt sich in so etwas nicht ein. Das ist eine nationale Angelegenheit."
Das reichte den Medienvertretern nicht. So dass die Sprecherin wenig später hinzufügen musste: "Die EU-Kommission ermutigt alle, Arbeitgeber, Vertreter der verschiedenen Seiten und die Gewerkschaften, ihre Streitigkeiten in vollem Respekt zu beenden und dabei nationale wie europäische Vorschriften vollständig zu beachten und den Dialog zu suchen."
Für Gewerkschafter Lebbe ist so eine Antwort eindeutig zu wenig. "Wir haben uns bereits mehrere Male an einen Tisch gesetzt. Aber nie passiert etwas. Ich weiß nicht, was wir jetzt noch an einem Tisch sollen. Sollen wir um ihn herum laufen? Sie fordern uns immer auf, uns mit an den Tisch zu setzen. Aber wenn wir dann dasitzen, sagt man uns, dass es ausgeschlossen sei, über unsere Forderungen zu sprechen. Ich setzte mich gerne an einen Tisch. Aber ich weiß nicht, was da passieren sollte."
Frust also bei den Gewerkschaften, die sich von der EU und auch vom belgischen Staat im Stich gelassen fühlen. Weil beide nichts Konkretes tun, um den Piloten zu helfen.
Und weil das so ist, wird gestreikt. 15 Prozent aller Ryanair-Flüge in Europa sollen am Freitag ausfallen. Gestreikt wird außer in Belgien noch in Deutschland, Schweden, Irland und den Niederlanden. Ob das reicht, Verbesserungen für die Piloten zu erzielen, ist alles andere als sicher.
Kay Wagner