Bei Ryanair stehen die Zeichen auf Sturm. Zwischen Direktion und Personal ist das Tischtuch zerrissen. "Im Grunde gab's zwischen beiden Seiten nie wirklich einen Dialog", sagte Didier Lebbe von der christlichen Gewerkschaft CNE in der RTBF. Schon im April habe man der Direktion ein Ultimatum gestellt, verbunden mit der Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen. Die Geschäftsleitung habe die Frist aber verstreichen lassen, ohne zu reagieren. Man bekomme nicht mal Antwort auf eine E-Mail.
Die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen steht ganz klar im Vordergrund. Gewerkschafter sprechen von Ausbeutung. "Erstmal muss man wissen, dass wir manchmal nur 1.000 Euro verdienen", sagt ein Stewart in der RTBF. "Ja, 1.000 Euro! Da stimmt doch was nicht! Und wenn ich dann sehe, wie viel wir dafür arbeiten müssen. Manchmal bis zu 14 Stunden. Bezahlt wird aber nur die Zeit in der Luft. Wartezeiten werden nicht gezählt." Selbst beim Boarding, also wenn die Passagiere ins Flugzeug einsteigen, oder, wenn sie das Flugzeug putzen, werden die Flugbegleiter nicht bezahlt.
Belgische Arbeitsverträge
"Das geht doch nicht!", wettern die Gewerkschaften. In Belgien würde das tatsächlich wohl so nicht gehen. Nur: Das Ryanair-Personal wird in der Regel nach irischem Recht eingestellt. Und da werden Sozialstandards deutlich niedriger angesetzt. Deswegen fordere man denn auch, dass die Mitarbeiter, die ihre Heimatbasis in Charleroi oder Brüssel haben, künftig auch belgische Arbeitsverträge bekommen sollen, sagt Yves Lambot von der CNE.
Für die Direktion sind solche Forderungen allerdings unannehmbar. Das sei nicht zu vereinbaren mit dem Low-Cost-Modell von Ryanair. Günstige Preise fallen schließlich nicht vom Himmel, heißt es da sinngemäß. Einen ersten Streik im April dieses Jahres in Portugal hat die Gesellschaft denn auch an sich abperlen lassen. Kurzerhand wurde Personal aus Belgien nach Portugal beordert, um den Platz der streikenden Kollegen einzunehmen.
Europäischer Streik
Aus dieser Episode haben die Gewerkschaften gelernt. Diesmal hat man versucht, sich mit den Kollegen aus anderen Ländern abzustimmen. "Und wir haben jetzt einen europäischen Streik auf die Beine gestellt", sagt Yves Lambot. "Um eben zu verhindern, dass Personal aus anderen Ländern zwangsverpflichtet wird, um Streiks zu brechen."
Es ist das erste Mal, dass Ryanair mit einem europäischen Streik konfrontiert ist. Laut den Gewerkschaften befinden sich aber anscheinend 25 polnische Mitarbeiter in Brüssel, die notfalls einspringen können, um weitere Flugstreichungen zu vermeiden.
Tausende Passagiere betroffen
Die Konsequenzen des Streiks sind in jedem Fall spürbar. Nach Informationen der jeweiligen Flughäfen sieht es so aus: In Brüssel wurden am Mittwoch 18 Ryanair-Flüge gestrichen - das ist knapp die Hälfte. In Charleroi wurden am Mittwoch 56 Verbindungen annulliert. Insgesamt sind davon 13.000 Ryanair-Fluggäste betroffen, die von bzw. nach Belgien fliegen wollten.
Die Direktion spricht ihrerseits weiter von einem "nutzlosen" Streik und drohte auch schon, gegebenenfalls die Winterflugpläne anzupassen, was bedeuten kann, dass gegebenenfalls Arbeitsplätze abgebaut würden.
Die Ryanair-Passagiere, die von dem Streik am Mittwoch und Donnerstag betroffen sind, haben nicht automatisch Anrecht auf eine zusätzliche Entschädigung. Das sagte ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel.
Demnach müsse das Recht auf eine Entschädigungszahlung zusätzlich zur Erstattung des Flugpreises Fall für Fall geprüft werden. Dies sei unter anderem davon abhängig, wann die Passagiere über den Flugausfall informiert worden sind.
Die Fluggesellschaft ist verpflichtet, gestrandeten Passagieren einen Ersatzflug anzubieten oder das Ticket zu erstatten. Wie es mit einer weiteren Entschädigung aussieht, war bisher nicht klar.
Wirtschaftsminister Kris Peeters hat die Wirtschaftsinspektion mit einer Prüfung der Angelegenheit beauftragt. Der Verbraucherschutzverband Test-Achats kündigte schon im Vorfeld eine Sammelklage an.
belga/rtbf/rop/est