Wahlplakate an den Straßen und Wahlwerbung in den Briefkästen. So wurde jahrzehntelang Wahlkampf gemacht. Diese Art Wahlkampf wird zwar nicht verschwinden, aber die Musik spielt anderswo: in den Sozialen Medien. Und das heißt bislang noch vor allem: Facebook. Das Soziale Netzwerk spielt eine immer größere Rolle darin, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen.
Die letzten US-Präsidentschaftswahlen sind der wohl bislang prominenteste Beweis. Die britische Datenanalysefirma Cambridge Analytica hatte millionenfach unrechtmäßig Daten von Facebook-Nutzern ausgewertet und an Donald Trumps Wahlkampfteam weiterverkauft. Anhand der persönlichen Daten konnten die Kampagnen-Manager quasi individuelle und zielgerichtete Wahlwerbung auf Facebook schalten.
Dieses sogenannte Microtargeting wird aber auch in Belgien immer beliebter, weiß der Experte für politische Kommunikation Reinout Van Zandycke. Schon vor den letzten Gemeinderatswahlen 2012 hätten die Parteien damit experimentiert. Doch dieses Jahr spiele Facebook zum ersten Mal eine sehr wichtige Rolle. Mit keinem anderen Kommunikationskanal kann man mehr Menschen erreichen als über Facebook, sagt Van Zandycke.
Persönlich zugeschnittene Werbung
Nur hier können die Parteien persönlich zugeschnittene Werbung platzieren - angepasst an Wohnort, Alter und Vorlieben der Nutzer. Dafür reicht es, die Daten bei Facebook abzufragen. Mit ein paar Clicks weiß Reinout van Zandycke zum Beispiel: In Antwerpen gibt es etwa 16.000 Facebook-Nutzer zwischen 18 und 65plus mit marokkanischem Hintergrund.
Die Chance ist also groß, dass je nach Nutzer andere politische Nachrichten in der Facebook-Timeline auftauchen. Reinout Van Zandycke vergleicht das mit einem individuellen Wahlkampfflyer pro Briefkasten. Anhand des Briefkastens wüsste der Postbote sofort, welchen Flyer er einwerfen müsste. Das sei viel personalisierter und habe für die Parteien den Vorteil, dass die Menschen nur die für sie relevanten Botschaften zu sehen bekommen.
Beispielsweise könnten sie einen Nutzer, der Seiten von Umweltorganisationen liked, gezielt mit Umweltthemen ansprechen, Menschen, die sich nicht dafür interessieren dann umgekehrt zum Beispiel mit dem Thema "Autos in die Stadt", erklärt der VRT-Journalist Bram Vandeputte. Das könne auch dazu führen, so Bram Vandeputte, dass der Wahlkampf nur noch aus inhaltsleeren Botschaften besteht, die sich komplett widersprechen und so überhaupt nicht in die Realität umgesetzt werden können.
Gefahr für die Demokratie
Er sieht darin eine Gefahr für die Demokratie, denn so würden die Menschen nur in ihren Meinungen bestätigt. Andere Meinungen fänden schlichtweg gar nicht mehr statt, wenn Parteien nur noch die Botschaften aussenden, von denen sie wüssten, dass sie gefallen.
Doch Vandeputte nuanciert: Wahlplakate und Diskussionsrunden im Fernsehen fänden auch weiterhin statt. Aber wer sich nur auf Facebook informiere, der sehe eben auch nur einen Teil der politischen Realität.
Volker Krings