Im Augenblick ist schwer zu sagen, wo die Mission Di Rupos eigentlich steht. Gibt es schon so etwas wie ein Vorabkommen, so dass er bald zum Regierungsbildner werden könnte, oder liegen die Standpunkte noch meilenweit voneinander entfernt? Man weiß es nicht, denn in einem Punkt läuft es bei der Regierungsbildung diesmal optimal: Die Order der strikten Diskretion und Geheimhaltung wird fast 100-prozentig befolgt.
Trotzdem ist von dem, was das Tandem Di Rupo - De Wever im Schilde führt, das eine oder andere durchgesickert, beziehungsweise vom Präformateur sogar offiziell bestätigt worden.
Zweigleisig
So ist zum Beispiel bekannt, dass Di Rupo zurzeit zweigleisig fährt. Zum einen will er eine aus fünf Parteien bestehende Regierung bilden, die sich um die Sparpolitik, bzw. den Haushalt, sowie um die Bereiche Wirtschaft und Soziales kümmern soll. Diese Parteien sind auf flämischer Seite die N-VA, die SP.A und die CD&V, sowie auf frankophoner Seite PS und cdH. Von den Liberalen ist nicht die Rede, sie werden nach dem derzeitigen Stand der Dinge in die Opposition verbannt.
Zum andern muss Di Rupo die von Flandern geforderte Staatsreform einschließlich einer Lösung für die Spaltung des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde in die Wege leiten, und dazu bedarf es im Parlament einer Zweidrittelmehrheit. Da die für die Regierungsteilnahme vorgesehen Parteien darüber nicht verfügen, hat Di Rupo seit gestern die frankophonen und flämischen Grünen, also Ecolo und Groen, an den Verhandlungstisch geladen.
Wie eingangs erwähnt, sind sie auch heute wieder mit dabei, denn sie sollen zwar nicht der Regierung beitreten, wohl aber aus der Opposition heraus die große Staatsreform unterstützen, beziehungsweise für die im Parlament erforderliche Zweidrittelmehrheit sorgen. Dem Vernehmen nach sind Ecolo und Groen dazu auch bereit, stellen jedoch aus verständlichen Gründen die Bedingung, dass sie an den Gesprächen darüber von vornherein beteiligt werden. Einen Blankoscheck zu unterschreiben, nachdem die Regierungsparteien unter sich eine Staatsreform ausgehandelt haben, kommt für die Grünen nicht in Frage.
Wie geht es weiter?
Was nun das weitere Vorgehen Di Rupos betrifft, so scheint sein Ziel darin zu bestehen, sich zunächst der grünen Unterstützung zur Staatsreform zu vergewissern, um dann dem König die Parteien vorzuschlagen, mit denen er eine Regierung bilden will. Dies könnte nach Ansicht innenpolitischer Beobachter gegen Ende dieser Woche oder im Laufe der nächsten Woche erfolgen. Damit würde Di Rupo zum Regierungsbildner und könnte dann die eigentlichen Verhandlungen zu einem Regierungsabkommen in Angriff nehmen.
Mit den voraussichtlichen Regierungsparteien muss er sich dann über eine Einsparung von gut 20 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre einigen, und die Eckwerte der Wirtschafts- und Sozialpolitik fixieren. Ecolo und Groen bleiben diesem Szenario zufolge zwar außerhalb der Regierung, werden jedoch bei allen Gesprächen über die Staatsreform dabei sein, weil sie sie ja im Parlament mit verabschieden sollen.
Es wird übrigens gar nicht so einfach sein, darüber eine Einigung zu finden, geht es doch um so delikate Fragen wie die Regionalisierung des Kindergelds und der Krankenversicherung, um ein neues Finanzierungsgesetz für die Regionen
und Gemeinschaften - übrigens auch für die DG besonders wichtig - sowie um eine teilweise Übertragung der Beschäftigungspolitik in den Kompetenzbereich der Gliedstaaten, ganz zu schweigen von der Lösung des Dauerbrenners BHV.
Selbst wenn Di Rupo diese oder nächste Woche vom Präformateur zum Formateur, also zum eigentlichen Regierungsbildner, avanciert, wird es mit Sicherheit noch Wochen dauern, ehe die neue Regierung an den Start gehen kann. Ein Verhandlungserfolg ist zwar nicht garantiert, doch wissen alle, die am Verhandlungstisch sitzen, dass sie aufgrund des Chaos, das durch ein Scheitern verursacht würde, fast schon zum Erfolg verurteilt sind.