Ob er um Gottes Beistand gebetet hat, das dürfte sein Geheimnis bleiben. Prä-Regierungsbildner Elio Di Rupo hat jedenfalls zum Nationalfeiertag dem Te Deum in Brüssel beigewohnt. Und am Rande des Gottesdienstes zog er eine durchwachsene Bilanz seiner bisherigen Arbeit.
Zur Erinnerung: Für eine Koalition brauche man wenigstens fünf, vielleicht sogar sieben oder acht Parteien, mit ihrem jeweils ureigenen Profil. Das alles unter einen Hut zu bekommen, erweise sich bislang als unsagbar schwierig. Doch wolle - müsse - er vorwärts kommen, sagt Di Rupo. Und deshalb unterscheide er jetzt zwischen zwei Sachverhalten: auf der einen Seite gebe es die institutionelle Ebene, sagt Elio Di Rupo. Für eine Staatsreform bedürfe es einer Zweidrittelmehrheit. Auf der anderen Seite sei die enorme haushaltspolitische Herausforderung: 25 Milliarden Einsparungen innerhalb von fünf Jahren. Hierfür reiche eine einfache Mehrheit.
Warum aber unterscheidet Di Rupo plötzlich zwischen den Materien, die im Parlament nur mit einer Zweidrittelmehrheit verabschiedet werden können, und den normalen Regierungsgeschäften? Ganz einfach: er hat bislang keine Regierungsmehrheit gefunden, die über zwei Drittel der Stimmen verfügen würde. Hierzu braucht man nämlich auf frankophoner Seite entweder die Liberalen oder die Grünen.
Die Liberalen scheinen nicht wirklich eine Option zu sein. Bleiben die Grünen. Nur stellt ECOLO eine Grundbedingung: man will keiner Regierung beitreten ohne das flämische Pendant Groen!. Problem: Groen! ist auf flämischer Seite eher unerwünscht. Vor allem die N-VA will keine Koalition mit den flämischen Grünen. Elio Di Rupo hat also tagelang die frankophonen ECOLOs bearbeitet, um sie davon zu überzeugen, alleine - ohne Groen! - der Koalition beizutreten. Bislang ohne Erfolg.
Was Di Rupo da andeutet, ist also eigentlich Plan B. Er würde zweigleisig fahren: man würde eine Regierung bilden, die nicht über die Zweidrittelmehrheit verfügt (auf frankophoner Seite wären das PS und CDH). An der Staatsreform würde man dann unter Einbeziehung einiger Oppositionsparteien, der Grünen, vielleicht der OpenVLD, arbeiten, die dann helfen würden, die Zweidrittelmehrheit zusammenzubekommen. Sein Traum sei das auch nicht, sagt Elio Di Rupo. Ihm wäre auch eine einzige Mehrheit lieber. Nur sei er eben nicht alleine.
Und plötzlich geht wieder ein Gespenst um. Man fühlt sich an die unseligen Verhandlungen auf Schloss Val Duchesse vom Sommer 2007 erinnert. Erst recht, als die CDH per Kommuniqué sinngemäß dafür plädierte, dass die Koalition über eine Zweidrittelmehrheit verfügen müsse. Dieses Lied hat man auch schon einmal vor drei Jahren gehört.
Die CDH drückt es so aus: wer eine Staatsreform aushandelt, der muss auch später in der Regierung sitzen. Es ist eine Frage der Interpretation, aber eigentlich hat die CDH den Plan B von Di Rupo abgeschossen. Vielleicht ahnte Di Rupo das schon, als er noch einmal einen letzen Appell an die Grünen lancierte: er hoffe, dass jetzt jede Partei sich ihrer Verantwortung bewusst sei.
Der Himmel schien mit den Glocken der Brüsseler Kathedrale sogar Verstärkung geschickt zu haben. Eingelenkt haben die Grünen dafür aber auch nicht. Der ECOLO-Regionalminister Jean-Marc Nollet machte klar: niemand spaltet die "Grüne Familie". Damit machen die Grünen einen Strich durch Plan A. Plan B wurde schon von der CDH abgeschossen. Jetzt braucht Di Rupo möglicherweise schon einen Plan C.
Ecolo will Groen nicht verraten. Lobenswert, aber es geht um die Zukunft des Landes.