Kein Sozialkonflikt, wo nicht irgendwann die PTB auftaucht. Die marxistische Partei hat ein feines Gespür dafür, wo enttäuschte oder wütende Arbeiter zu finden sind, bei denen man leicht auf Stimmenfang gehen kann. Soweit, so legitim. Jedem sein Jagdgebiet.
Fakt ist: Nicht nur, dass die Partei laut Umfragen in der Wallonie im Aufwind ist, sie schafft es auch, immer mehr Mitglieder anzulocken. Das vor allem innerhalb der sozialistischen Gewerkschaft. Rein politisch-inhaltlich ist es naheliegend, dass eine marxistische Partei gerade bei der FGTB viele Neumitglieder rekrutieren kann. Kritiker warnen aber davor, dass es der Partei nicht nur um Kritiker geht, sondern auch um Einfluss, um Macht.
Genau dieser Verdacht scheint sich jetzt bei der CGSP zu bestätigen, also bei der sozialistischen Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst, genau gesagt bei den CGSP-Eisenbahner-Sektion. Dort gibt es offensichtlich mächtig Knatsch.
Metisp-Protect
Ans Licht brachte den die Zeitung L'Echo. Von einer Dissidenz innerhalb der roten Bahngewerkschaft war da die Rede, mehr noch: Ehemalige CGSP-Delegierte hätten sich entschlossen, eine eigene, eine neue Gewerkschaft zu gründen. Die hört auf den etwas kryptischen Namen "Metisp-Protect" und hat sich eben die "Verteidigung der Mitarbeiter im öffentlichen Transportwesen" auf die Fahnen geschrieben.
"Erstmal sind wir enttäuscht", sagte Etienne Hoet, Mitbegründer und Sprecher von Metisp in der RTBF. Enttäuscht von der CGSP, der er und seine Mitstreiter über Jahre hinweg angehörten. "Wir haben uns nicht mehr von der CGSP vertreten gefühlt", beklagt Hoet. Steigerung der Produktivität bei der SNCB, bei gleichzeitiger Beschneidung der Rechte der Eisenbahner, und das alles mitunter auf Kosten der Sicherheit. Gegen all das hätten sich die Gewerkschaften einfach nicht vehement genug widersetzt.
Keine Light-Version der CGSP
Man hört es schon: Diese neue Gewerkschaft wird nicht eine Light-Version der CGSP - eher im Gegenteil. Wobei: Sprecher Etienne Hoet sieht sich selbst nicht an einer Spitze eines Clubs von streikwütigen Radikalinskis. "Wir hatten lediglich den Eindruck, dass unsere Gewerkschaftsvertreter manchmal einfach zu kumpelhaft mit der Direktion umging", was dazu geführt habe, dass sie die Sorgen der Mitarbeiter schlicht und einfach nicht ernstgenommen hätten.
Mindestens genauso unangenehm sei aber die Präsenz der PTB gewesen. Präsenz, naja, das sei ja noch egal, wenn es da nicht auch eine klare Einflussnahme gegeben hätte von Seiten der PTB-Mitglieder in den CGSP-Vorstandsetagen, sagt Etienne Hoet.
Diese Einflussnahme sei das Problem. Es gebe sicher auch Mitglieder, die anderen Parteien angehörten. Klar sei insbesondere die PS innerhalb der CGSP gut vertreten. Mit dem einen Unterschied eben, dass diese Leute keine Parteipolitik machten. Im Gegensatz eben zur PTB, die die CGSP richtiggehend zu unterwandern und zu instrumentalisieren versuche. Und das habe dazu geführt, dass die Gewerkschaft als Ganze sich manchmal an der Parteilinie der PTB habe orientieren müssen.
Politik zweitrangig
"Absoluter Unsinn!", reagierte aber der Vorsitzende der CGSP-Eisenbahner, Michel Abdissi. "Wir machen hier Gewerkschaftsarbeit. Punkt!" Politik sei immer nur zweitrangig. Natürlich gebe es PTB-Mitglieder in der Gewerkschaft, wie auch andere Parteien vertreten seien, was aber nie bedeute, dass man sich die Agenda oder die Marschrichtung von irgendeiner politischen Partei diktieren lasse, sagt Abdissi.
Die Spaltung ist jedenfalls so gut wie vollzogen. Es fehlt noch die offizielle Anerkennung der Bewegung Metisp als Gewerkschaft. Im Dezember will Metisp jedenfalls auch schon an den Sozialwahlen bei der SNCB teilnehmen. Genau dieser Termin sei wohl auch eine Motivation für die Dissidenten gewesen, heißt es bei der CGSP. Die wollten sich einfach nur ein bisschen wichtigmachen. Für das soziale Klima ist das Ganze wohl in jedem Fall eher kontraproduktiv.
Roger Pint