Die Immobilienpreise kennen seit Jahren nur noch einen Weg: nach oben! Jedes Jahr steigen die Preise um vier bis fünf Prozent. Eine Studie des Föderalen Instituts für nachhaltige Entwicklung hat jetzt herausgefunden, dass in Belgien die Zahl der Wohnungen schneller steigt, als die Zahl der Haushalte. Das würde bedeuten: Es gibt mehr Wohnungen, als gebraucht werden. Die Preise müssten also entsprechend dem Gesetz von Angebot und Nachfrage fallen. Tun sie aber nicht.
Philippe Defeyt, Präsident des Instituts für nachhaltige Entwicklung und Wirtschaftswissenschaftler, relativiert die Ergebnisse der Studie. Erstens: Der Immobilienmarkt ist ein lokaler Markt. Nicht jeder zieht von A nach B, nur weil dort die Immobilienpreise niedriger sind. Zweitens: Der Markt ist unterschiedlich, und zwar je nach Einkommen der Menschen. Wenn die Studie also sagt, die Zahl der Wohnungen steige schneller als die der Haushalte, dann stimmt das nicht überall und nicht für alle Kategorien, erklärt Philippe Defeyt.
Preise leicht über EU-Durchschnitt
Gerade für Singles oder Alleinerziehende ist es schwieriger etwas zu finden, besonders in größeren Städten. Derzeit kostet in Belgien ein einfaches Haus im Schnitt 220.000 Euro, ein Appartement 225.000 Euro und eine Villa 360.000 Euro. Damit liegt Belgien leicht über dem europäischen Durchschnitt und auf ähnlichem Niveau wie Deutschland oder die Niederlande.
Und auch im Vergleich zu anderen europäischen Hauptstädten ist Brüssel vergleichsweise günstig. Für die eben genannten 225.000 Euro bekommt man in der belgischen Hauptstadt ein 80 Quadratmeter Appartement. In Amsterdam gibt es für dasselbe Geld nur 50 Quadratmeter. Ganz zu schweigen von London oder Paris: Da gibt es dafür gerade mal 25 bzw. 20 Quadratmeter.
In einem sind die Belgier allerdings traditionell besonders gut: 72 Prozent sind selbst Haus- oder Wohnungseigentümer. Zum Vergleich: In Deutschland sind das nur 52 Prozent.
Wohnungen zu groß
Das Institut für nachhaltige Entwicklung hat noch etwas ganz Anderes herausgefunden: 70 Prozent der Belgier leben in einer Wohnung, die für ihre Bedürfnisse eigentlich zu groß ist. Für Philippe Defeyt ist nämlich nicht nur die Frage wichtig, ob es genug Wohnungen gibt, sondern ob sie den Bedürfnissen auch angepasst sind.
Denn das, was man braucht ändert sich. Vor allem mit dem Alter der Kinder. Am Anfang reicht vielleicht ein Zimmer für zwei Kinder, werden die dann älter, dann müssen es schon zwei sein. Und sind die Kinder dann aus dem Haus, dann steht auf einmal eine ganze Etage leer. Während auf der anderen Seite vielleicht eine alleinerziehende Mutter händeringend nach einer bezahlbaren Sozialwohnung sucht.
Und wenn ältere Menschen ihr großes Haus am Stadtrand verkaufen wollen, um ein praktisches Appartement im Zentrum zu kaufen, müssen sie leider feststellen, dass die teurer sind, als das was sie für ihr Haus bekommen. So stecken viele dann in einem viel zu großen Haus fest, obwohl sie es nicht wollen, sagt Defeyt.
Eine Aufgabe für die Gemeinden, die dagegen etwas tun könnten. Wollen sie aber oft nicht. Denn viele Gemeinden mögen es nicht, wenn große Immobilien in kleinere Einheiten unterteilt werden. Dabei könnten am Ende alle profitieren. Diejenigen, die eine Wohnung suchen und diejenigen, die mit der Vermietung eines Teils ihrer Immobilie ihre finanzielle Situation verbessern könnten.
Volker Krings