Die F-35 von Lockheed Martin, auf dem Papier eines der modernsten Kampfflugzeuge der Welt, ist möglicherweise doch nicht so gut, wie es im Werbeprospekt steht. Das mag bei Autos schon ein Ärgernis sein, bei Militärgeräten kann das fatale Folgen haben.
Der aktuelle F-35 Testbericht aus dem Pentagon verzeichnet jedenfalls sage und schreibe 263 ernsthafte Mängel. Hier nur mal die größten: Die eingebaute Bordkanone trifft bei Tiefflügen ihre Ziele nicht. Hinzu kommen Softwareprobleme: Die Verbindung zwischen dem Bordhelmvisier des Piloten und der Kanone ist ungenau. Der Pilot kann die GPS-Koordinaten des Ziels zwar zum Prozessor in der Bombe schicken, kann aber die Koordinaten vom Cockpit aus nicht überprüfen. Dabei ist ein solcher Gegencheck in Kampfeinsätzen eigentlich Pflicht.
Die Software ist auch nicht in der Lage zu berechnen, wann eine Bombe ihr Ziel erreichen wird. Für befreundete Truppen kann das zur tödlichen Gefahr werden. Auch mit den Luftraketen, mit denen feindliche Kampfflugzeuge abgeschossen werden können, gibt es mehrere Probleme. Beispielsweise das hier: Bei hohen Geschwindigkeiten entstehen in den Waffenschächten so hohe Temperaturen, dass Explosionsgefahr besteht. Die Folge: Die Piloten müssen langsamer fliegen.
263 ernsthafte Mängel
Auch in Sachen Cybersicherheit gibt es Lücken. Die F-35 ist quasi ein fliegendes Computernetzwerk. Sie ist während eines Einsatzes permanent mit den anderen Kampfflugzeugen verbunden. Die Pentagon-Leute mussten feststellen, dass auch die mittlerweile 31. Software-Version noch Lücken in der Firewall hat, und gehackt werden kann.
Die hohe Zahl der Mängel ist erstaunlich. Die F-35 wird immerhin schon seit fast 17 Jahren getestet. Die Produktion ist im vollen Gange, erste Lieferungen sind schon bei den Kunden. Und zu denen könnte auch bald Belgien gehören, wenn die F-35 den Zuschlag erhält.
Bis Ende des Jahres will die Föderalregierung über einen Ankauf der F-16-Nachfolger entscheiden. Im Rennen sind da neben der F-35 noch der Eurofighter und inoffiziell auch die französische Rafale. Konfrontiert mit dem katastrophalen Testbericht ließ Verteidigungsminister Steven Vandeput verlauten, dass man davon ausgehe, dass die Kinderkrankheiten bis zu einem möglichen Kauf beseitigt sein würden.
Sven Biscop, Verteidigungsexperte am Egmont Institut, einem Brüsseler Think Tank für Internationale Beziehungen, ist da kritischer. Experten hätten schon mehrfach auf Probleme bei der F-35 hingewiesen. Aus heiterem Himmel komme der Bericht also nicht. Und nach 17 Jahren könne man auch nicht mehr von Kinderkrankheiten sprechen. Das zeige, so Biscop, dass die belgische Regierung beim Ankauf der neuen Kampfflugzeuge alle Optionen prüfen sollte.
Vandeputs persönlicher Krisenherd
Die ganze Ankaufprozedur droht für Verteidigungsminister Steven Vandeput ohnehin zum persönlichen Krisenherd zu werden. Vor zwei Wochen wurde plötzlich bekannt, dass die derzeitigen F-16 doch länger halten könnten als angenommen. Nur diese Information hatte die Armeespitze ihrem Chef vorenthalten.
Im Zuge dessen kam dann auch noch das Gerücht auf, Vandeput habe sich sowieso schon für die F-35 entscheiden. Indiz: ein internes Dokument aus seinem Kabinett und Verbindungen zwischen einem Kabinettsmitarbeiter und dem F-35 Hersteller Lockheed Martin.
Bislang konnte sich Vandeput noch auf seinem Stuhl halten, aber der Spaß an der Arbeit als Verteidigungsminister ist ihm wohl inzwischen vergangen. In einer möglichen neuen Regierung mit N-VA Beteiligung will er für das Amt nicht mehr zur Verfügung stehen.
Volker Krings