Das Phänomen ist nicht neu. Das nennt sich Retired Husband Syndrome - das verrentete Ehemann Syndrom. Kurz erklärt: Ist der Mann den ganzen Tag zu Hause, geht er der Frau plötzlich tierisch auf den Keks. Das ist wissenschaftlich verbrieft: Mit jedem Rentenjahr steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es zum Streit kommt. Und weil jetzt die Generation der Babyboomer ins Rentenalter kommt, steigen die Fallzahlen.
Männer mischen sich in Dinge ein, die Frauen vorher alleine entschieden haben. In der Generation der über 65-Jährigen noch eine ganze Reihe von Vollzeit-Hausfrauen. Die haben den Haushalt alleine gemanagt. Jetzt kommt der Mann und weiß plötzlich alles besser, zum Beispiel, wann das Steak aus der Pfanne muss. Das sorgt für Stress. Und selbst wenn der Mann in guter Absicht im Haushalt helfen will, dann bringt das doch das jahrelang eingeschleifte System der Frau durcheinander. Auch das sorgt für Stress.
Die Freiheit in der Rente genießen und das tun, wozu man immer schon Lust hatte ist auch nicht immer die beste Idee. Wenn der oder die Pensionierte nun beispielsweise sagt: Ich will verreisen, dann sollte er oder sie bedenken, dass auch solche Ansprüche für Stress sorgen können. Schließlich würde damit das Leben des Partner auch auf den Kopf gestellt. Daher empfehlen Eheberater: Redet miteinander und stimmt Eure Erwartungen an die Beziehung ab.
Denn: Auch eine Scheidung stellt das Leben ja auf den Kopf, umso mehr, wenn man Jahrzehnte zusammen verbracht hat. Emotional ist das schwierig, besonders, wenn man den gleichen Freundeskreis hat. Gerade für Workaholics, die für ihren Job gelebt haben, wäre eine Scheidung das noch viel größere Übel, weil nach der Pensionierung der Halt in der Partnerschaft das Wichtigste im Leben ist. Und das wäre dann hin. Auch finanziell ist eine Scheidung oft für das Paar eine große Belastung.
Ein Patentrezept gegen das Retired Husband Syndrome gibt es nicht. Ein Eheberater erzählt in der Zeitung Het Laatste Nieuws von einem Fall, in dem sich ein 84-Jähriger und seine 79-jährige Frau scheiden lassen wollten. Letztlich haben sie es nicht getan, weil es finanziell untragbar gewesen wären. Die leben jetzt weiter in der gemeinsamen Wohnung, haben aber einen Vertrag, der die Kostenaufteilung genau regelt.
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