Kindersitze sind Pflicht. Laut Straßenverkehrsordnung müssen Kinder unter 1,35 Meter Körpergröße in einer "angepassten Vorrichtung" transportiert werden. "Und das ist auch gut so", sagt Benoit Godart, Sprecher des Instituts für Straßenverkehrssicherheit Vias. Ein Kind, das gar nicht angeschnallt wäre, würde sich im Falle eines Unfalls quasi in eine Kanonenkugel verwandeln. Bei einem Aufprall mit einer Geschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde bekommt selbst der Körper eines Kindes am Ende eine Masse von rund einer Tonne. Das entspricht etwa einem Sturz aus zehn Metern Höhe.
Um das zu vermeiden, gibt es eben den Kindersitz. Nur reicht es nicht, einen solchen Kindersitz zu besitzen. Man muss ihn auch noch richtig anwenden. "Das fängt bei elementaren Dingen an", sagt Benoit Godart. Manche Eltern haben richtig teure Kindersitze im Auto - und die sind dann einfach nicht verankert. Das sei schon ein bisschen absurd.
"Anwendung ist das Problem"
"Die Anwendung ist das Problem", sagt auch Stef Willems. Vielleicht sei den meisten Menschen inzwischen bewusst, dass ein Kindersitz die Gefahr von ernsthaften Verletzungen deutlich reduziert. Nur wissen viele Menschen nicht, dass sie ihr Kind nicht korrekt sichern. Konkret: Drei von vier Vätern oder Müttern benutzen den Kindersitz falsch. "Und das Schlimme ist, dass sie sich dessen nicht bewusst sind", sagt Benoit Godart.
Mögliche Probleme sind vielfältig: Manchmal ist der Kindersitz einfach nicht richtig verankert. Manchmal ist es aber auch so, dass der Sicherheitsgurt nicht richtig verläuft, etwa im Rücken des Kindes liegt. "Und man sollte das immer überprüfen", sagt Stef Willems. Beispiel: Wenn ältere Kinder sich selbst in ihrem Sitz installieren, dann sollte Mama oder Papa immer mal schnell drüber schauen und checken, ob wirklich alles richtig gemacht ist.
Wenn man die Eltern auf falsche Handhabung eines Kindersitzes hinweist, wird man oft mit Ausreden konfrontiert, nach dem Motto: "Ich hatte keine Zeit" oder "Das Kind hat sich gewehrt, wollte eben nicht im Kindersitz angeschnallt werden".
Sensibilisierungsarbeit
"Hier ist also noch viel Sensibilisierungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten", sagt Benoit Godart. Das Problem hat sich nämlich in den letzten drei Jahren, seit Vias sich das letzte Mal mit dem Thema befasst hat, noch zugespitzt. Das Kind korrekt im Kindersitz zu installieren, müsse so eine Art Routine werden - immer, heißt: auch bei kurzen Strecken.
Doch richtet Vias auch einen Appell an die Hersteller. Wenn man sich die Tragweite des Problems so anschaue, dann müsse man davon ausgehen, dass viele Eltern es einfach auch nicht besser wissen, sprich: dass manchmal vielleicht auch die Bedienungsanleitungen der Kindersitze nicht präzise oder nicht klar genug sind.
In jedem Fall sollte man sich hier nochmal eine Zahl vor Augen führen: Im Jahr 2016 wurden 1.318 Kinder bei Verkehrsunfällen verletzt, fünf kamen ums Leben. Zwei, drei einfache Handgriffe können das Risiko deutlich reduzieren.
Roger Pint