"Ab heute heiße ich Bo", wird Boudewijn Van Spilbeeck am Dienstag auf vielen flämischen Titelseiten zitiert. Baudewijn heißt jetzt Bo, weil sie beschlossen hat, endlich ihre wahre Identität auszuleben. Bo Van Spilbeeck hat einen offenen Brief geschrieben, in dem sie ihre Entscheidung darlegt - vor allem den langen, schwierigen Weg dahin.
Schon sehr früh, im Alter von vielleicht acht Jahren, habe sie sich gewünscht, ein Mädchen zu sein. Diffuse Erinnerungen seien das. Wie die Geschichte mit dem Theaterstück in der Schule, als sie neidisch war, dass ein Junge und nicht sie die TV-Ansagerin spielen durfte. Man begreife nur langsam, was das eigentlich bedeutet - und dieses Gefühl werde dann aber immer stärker. Irgendwann muss sie es sich eingestehen: Sie ist ein Mensch im falschen Körper.
Genau so fühlt sich das an, sagte in der VRT auch Dr. Petra De Sutter. Die renommierte Gynäkologin von der Universitätsklinik Gent hat das gleiche erlebt. Sie entschied sich vor 15 Jahren für die Geschlechtsumwandlung. Stellen Sie sich vor: Sie sind eine Frau, gucken in den Spiegel, und sehen einen Mann. Das wäre bestimmt eine seltsame Erfahrung. Nun: Genau das erleben Transgender jeden Tag.
Verdrängung und Angst
Man könne es nicht verdrängen, es sei einfach so. Der junge Baudewijn Van Spilbeeck lebt damit, ohne es auszuleben. Er heiratet seine Marianne. Das Paar bekommt zwei Kinder. "Ich habe meiner Frau vor der Hochzeit von meinen weiblichen Gefühlen erzählt", sagt Bo. "Ich habe ihr aber gesagt: 'Das geht vorüber. Wenn wir einmal verheiratet sind, ist das vorbei'. Dem war allerdings nicht so.
Die Gefühle wurden mit den Jahren eher noch stärker. Längst machte Bo keinen Hehl mehr daraus. Regelmäßig zog sie Frauenkleider an. Auch in der VTM-Redaktion wunderte sich niemand mehr darüber, wenn der Kollege, den man als Baudewijn kannte, sexy Stiefel mit hohen Hacken trug. Vor 15 Jahren sei ihr das erste Mal der Gedanke gekommen, sich zu outen und dann auch die Geschlechtsumwandlung anzugehen. Damals habe man ihr das aber noch ausgeredet - und tatsächlich habe sie Angst gehabt, Angst, den Job, die Familie, die Freunde zu verlieren.
Unterstützung der Familie
Jetzt, mit 58 Jahren, also doch der Schritt. Anscheinend war es die Geschichte von Caitlyn Jenner, die Baudewijn letztlich dazu ermutigt hat, zu Bo zu werden. Caitlyn hieß früher mal Bruce Jenner und hat 1976 sogar für die USA Olympia-Gold im Zehnkampf errungen. Ein anderes Schlüsselerlebnis gab es zu Weihnachten. Sie habe Frauenkleider getragen und irgendwann habe ihre Tochter gesagt: "Papa, so siehst Du eigentlich viel besser aus. Mach's einfach!" Das sei so ein wunderbares Gefühl gewesen.
Die Kinder sind inzwischen erwachsen. Dennoch: Einfach sei das alles nicht. Der Ehemann wird Frau, der Vater wird Frau... Die Familie habe aber beschlossen, das Ganze zusammen durchzuziehen. Und doch: Es war und es ist immer noch ein innerer Kampf.
"Werden mir die Zuschauer noch glauben", fragt sich Bo in einer Sondersendung, die VTM am Abend ausstrahlt. Sie wisse es nicht, aber das werde sie jetzt auch nicht mehr stoppen. Denn: Bo Van Spilbeeck will natürlich weiter als TV-Journalistin arbeiten. Heute war ihr erster Arbeitstag bei VTM, als Bo, versteht sich. Eine neue Zugangskarte hat sie auch schon bekommen. Weil sie ein bekanntes TV-Gesicht ist, konnte ihre "Transformation" eigentlich nur öffentlich passieren, sagt sie. Und sie hoffe, dass ihre Geschichte anderen Menschen hilft, die ebenfalls im falschen Körper leben müssen.
Roger Pint