Sie wisse, dass das eine schwierige Botschaft ist, die sie da übermitteln müsse, sagt Hilde Decadt. Sie ist Mitglied der Geschäftsführung von Carrefour Belgien. Und eigentlich wollte Hilde Decadt ihr Mitgefühl zum Ausdruck bringen, sozusagen Empathie zeigen. Das ist aber - zumindest in den Augen der Gewerkschaften - mächtig misslungen. Unterkühlt erklärt sie nochmal, dass Carrefour keine Wahl habe: Der Transformationsplan sei nötig, um das Unternehmen zukunftsfähig zu machen.
Viele empfanden diese Mitteilung und vor allem den Ton als distanziert, wenig empathisch, fast bedrohlich. Als jedenfalls die Mitarbeiter dieses betriebsinterne Video am Morgen sahen, ist einigen definitiv die Hutschnur geplatzt. Was denn auch mit einer der Auslöser für die spontanen Arbeitsniederlegungen gewesen sei, heißt es aus Gewerkschaftskreisen.
"Dem Dialog eine Chance geben"
Ausdrücklich hätten die Arbeitnehmervertretungen noch nicht zum Streik aufgerufen, erklärte Rita Peeters von der sozialistischen Setca in der VRT. Man wolle erst noch dem Dialog eine Chance geben. Selbstverständlich würden diese spontanen Proteste aber von den Gewerkschaften abgedeckt und unterstützt.
"Dem Dialog mit der Direktion eine Chance geben". Dieser Dialog, der ist vom Gesetz vorgegeben, quasi bis hin zu seiner Struktur. Bei einem Umstrukturierungsplan von einer solchen Tragweite greift ja die so genannte "Renault-Prozedur". Die beinhaltet zunächst eine Phase der Information. Eine erste Sitzung soll in der kommenden Woche stattfinden. "Und dabei werden wir eine ganze Menge Fragen stellen", sagt Myriam Delmée von der Setca. Bislang wisse man nämlich herzlich wenig. Bekannt seien bislang nur die Stellenstreichungen im Hauptsitz in Evere oder die geplante Schließung der beiden Hypermärkte in Genk und Angleur. Wo die insgesamt 1.233 Arbeitsplätze herkommen sollen, die abgebaut werden sollen: Fragezeichen. Da gebe es also noch viel Klärungsbedarf, sagt Myriam Delmée.
Suche nach Alternativen
Eine zweite Phase der Renault-Prozedur, das ist die Suche nach Alternativen. Ziel der Gewerkschaften sei es natürlich, die Zahl der zu streichenden Stellen bzw. der Entlassungen auf ein Minimum zu drücken. "Wir sprechen hier also unter anderem auch über Vorruhestandsregelungen oder vielleicht mögliche Arbeitszeitverkürzungen", sagt Myriam Delmée.
Vorruhestandsregelungen, Frühpensionen also, diese Türe ist aber allem Anschein nach schon zu. Die Regierung müsste einer solchen Regelung ja zustimmen. Er halte das aber für eine schlechte Idee, sagte Finanzminister Johan Van Overtveldt. Das wäre das falsche Signal. "Wir haben in Belgien rund 300.000 offene Stellen. Da sollte es doch möglich sein, den betroffenen Carrefour-Leuten eine neue Stelle zu vermitteln."
Aktionsplan
Diese Aussage hat natürlich ihre Wirkung nicht verfehlt, überschattete geradezu ein Treffen zwischen Vertretern der Föderalregierung und den Carrefour-Gewerkschaften. Da habe man schon gar keine Lust mehr, überhaupt hinzugehen, wetterten Gewerkschafter. Sichtbares Kopfschütteln aber auch beim CD&V-Vizepremier Kris Peeters. Es sei unvernünftig, sich jetzt schon zum Thema Frühpensionen zu äußern, sagte Peeters in der VRT. "Diese Leute haben doch gerade gestern erst erfahren, dass sie vielleicht ihren Job verlieren."
Am Ende der Renault-Prozedur wird in jedem Fall ein Sozialplan stehen. Der wird auch die Begleitung der Betroffenen beinhalten. Spätestens dann kommen die Regionen ins Spiel. Die zuständigen Minister aus Flandern, der Wallonie und Brüssel haben sich da aber schon abgestimmt. Man arbeite an einem gemeinsamen Aktionsplan, um bereitzustehen, wenn die Leute Hilfe brauchen, sagte der Brüsseler Beschäftigungsminister Didier Gosuin.
Oberstes Ziel ist jetzt aber erst einmal, die sozialen Folgen so weit wie möglich einzugrenzen...
Roger Pint