"Die Menschen waren völlig in Panik", so berichtet ein Augenzeuge von dem, was sich am Dienstagabend kurz vor 21 Uhr in der Haupthalle des Genter Hauptbahnhofs abgespielt hat. Kurz zuvor waren zwei Schüsse gefallen, ein Mann war zu Boden gegangen. Der Mann, der auch noch heute für die große Aufregung sorgte.
Mit einem Messer in der Hand soll er schon vor der Szene im Bahnhofsgebäude auf dem Vorplatz herumgefuchtelt haben. Dann ging er auf das Bahnhofsgebäude zu. "Nach der ersten Sichtung der Videoaufnahmen ergibt sich folgender Hergang: Der Mann dringt mit dem Messer in der Hand in das Bahnhofsgebäude ein und läuft direkt auf die beiden Bahnhofspolizisten zu, um sie anzugreifen. Daraufhin eröffnen diese das Feuer", sagt An Schonnjans, Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Panik bricht aus. Die Polizisten stellen sicher, dass der Mann am Boden nicht mehr gefährlich ist. Sie rufen Rettungskräfte. "Der Angreifer ist verwundet worden. Er ist in ein Krankenhaus mit lebensgefährlichen Verletzungen gebracht worden. Er ist sofort operiert worden und befindet sich außer Lebensgefahr", so An Schoonjans weiter.
"Sympathischer Kerl"
Soweit zu den Fakten, die die Staatsanwaltschaft am Mittwoch bekannt gab. Dazu gab es auch noch nähere Informationen zu dem angeschossenen Mann. Es handelt sich um einen 28-jährigen Afghanen. Erste Meldungen hatten davon gesprochen, dass der Mann sich illegal in Belgien aufhalte. Dem widerspricht die offizielle Version der Staatsanwaltschaft. Der Mann hat wohl eine Aufenthaltsgenehmigung, lebt in Gent. Seine Nachbarn beschreiben ihn als einen "sympathischen Kerl, der jederzeit bereit war, zu helfen". Von Radikalisierung keine Spur. Auch nicht davon, dass er irgendwie geistig gestört sei. So jedenfalls die Nachbarn.
Die Staatsanwaltschaft verfolgt allerdings genau diese Spur. Und die Aussagen eines Zeugen in der VRT weisen in die gleiche Richtung. Der Zeuge sagt: "Ich hatte den Eindruck, dass der Mann irgendwie psychische Probleme oder so etwas hatte, oder getrunken, sich auf jeden Fall irgendwie nicht normal verhalten hat." Was der Mann selbst zu dem ganzen sagt, bleibt noch abzuwarten. Er liegt im Krankenhaus, ist aber anscheinend noch nicht vernehmungsfähig.
Ermittlungen in zwei Richtungen
Dass seine Tat erst durch die am Montag erfolgte Herabstufung der Terrorwarnstufe von Niveau drei auf zwei möglich wurde, dem widerspricht nicht nur die Staatsanwaltschaft. Auf dem Bahnhof von Gent hatten nie Soldaten patrouilliert, die Sicherheitsstufe ist in Gent wegen eines Volksfestes sowieso noch weiter auf Stufe drei. Eine größere Nachlässigkeit gegenüber möglichen Angriffen hat es nicht gegeben.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt - und zwar in zwei Richtungen, wie Sprecherin Schoonjans: Eine Untersuchung bezieht sich auf den Mann, der mit dem Messer auf die Polizisten losgehen wollte, und die zweite Untersuchung beschäftigt sich mit den Schüssen auf den Mann.
Auf die Frage, ob die Polizisten bei der Entscheidung zu schießen, doch wohl nur in dem Rahmen gehandelt hatten, der ihnen erlaubt war, antwortet die Sprecherin ausweichend: "Wir haben Videoaufnahmen, die sehr deutlich sind", sagt sie.
Kay Wagner