Eine einhellige Meinung ist nicht zu bekommen. Ähnlich wie die Moslems sind auch die Juden in Belgien in verschiedenen Verbänden und Vereinen organisiert. Je nachdem, wen man fragt, fällt auch die Antwort anders aus. So ist es auch bei Trumps Jerusalem-Entscheidung. Auffällig ist allerdings, dass sich keiner zumindest nach außen hin uneingeschränkt über diese Entscheidung freut.
Stéhphane Wajskop, Vize-Präsident des jüdischen laizistischen Gemeindezentrums, mag da als gutes Beispiel gelten. "Es geht nicht um die Frage, ob Jerusalem die Hauptstadt von Israel ist. Jeder weiß, dass das so ist. Trump hat da nichts erfunden. Es geht vielmehr um die Frage, ob die einseitige Erklärung die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern voranbringen wird. Und wir denken, dass sie das nicht tut. Sondern dass sie kontraproduktiv ist", sagt er.
Eine klare Ablehnung von Trumps Äußerung kommt vom Verband der so genannten progressiven Juden, eine Minderheit in der jüdischen Gemeinde in Belgien. Sie sind quasi das Gegenteil der orthodoxen, also der sehr strenggläubigen Juden. Ihr Koordinator Daniel Liebmann formuliert harte Worte in Richtung Trump. "Wir haben da einen Mann an der Spitze eines extrem mächtigen Landes, der glaubt, dass das Internationale Recht aus der Bibel kommt. Das ist doch total verrückt. Wenn Donald Trump einen Bart hätte und sich auf andere heilige Schriften berufen würde, würden doch alle von einem Barbaren sprechen."
Die Wut auf Trump mag auch darin begründet sein, dass die Juden in Belgien jetzt wieder Repressionen befürchten. Übergriffe auf sie, obwohl sie selbst doch gar nichts gemacht haben. Philippe Markiewicz, Vorsitzender des israelitischen Zentralkonsistoriums, warnt: "Es darf auf keinen Fall passieren, dass der Konflikt jetzt nach den Äußerungen von Trump nach Europa getragen wird."
Im Lebensmittelgeschäft von Maurice Tal teilt man diese Auffassung - ohne jedoch allzu große Angst vor neuen Ausschreitungen zu zeigen. Tal selbst ist Vorsitzender des Vereins der marokkanischen Juden in Belgien. Sein Geschäft bietet nur koschere Sachen an. Also die Lebensmittel, die den traditionellen Vorschriften des jüdischen Glaubens entsprechen. Tal selbst sagt zu Trump: "Es ist bekannt, dass Donald Trump gerne ein wenig provoziert. Darum geht es nicht. Man muss einfach auch mal die Realität vor Ort sehen: Israel hat nicht auf diese Äußerung von Trump gewartet."
Keine Verurteilung von Trump also, aber auch kein ausdrückliches Lob. Vielmehr die bereits angesprochene Unsicherheit, was die Jerusalem-Entscheidung jetzt für das Alltagsleben der Juden in Belgien bedeutet.
Ein junger Mann mit einer Kippa auf dem Kopf, der rituellen Kopfbedeckung der Juden, sagt gegenüber der RTBF: "Wir leben jetzt schon in einem Klima der ständigen Anspannung. Ein bisschen mehr oder weniger, ich glaube nicht, dass das noch viel ändert. Aber natürlich werde ich jetzt noch ein bisschen mehr aufpassen, wenn ich auf der Straße bin. Meine Kippa werde ich nicht offen tragen. Man weiß nie, was in den Köpfen der Menschen vorgeht."
Kay Wagner
Seid mutig und seid stark
Trumps Anerkennung von Jerusalem als Israels Hauptstadt ist pure Dummheit, die an den bestehenden Tatsachen nichts ändert. Und den belgischen Juden kann man nur wünschen, dass sie nicht zur Zielscheibe werden. Dass sie einfach in Frieden leben.
Die vielbeschworene Zweistaatenlösung ist nicht in die Praxis umzusetzen wegen der vielen israelischen Siedlungen. Darum sollte man andere Lösungen in Betracht ziehen, wie zum Beispiel die Gründung eines Palästinenserstaates auf dem Sinai oder die volle Integration der Palästinenser in den israelischen Staat.